Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinden Österreichs, wird wüst antisemitisch beschimpft.

Antisemitismus im Internet ist keine Seltenheit, _erinnern.at_ bietet Bildungsmaterial zur Aufklärung über Antisemitismus und Rassismus.

Nach den Nationalratswahlen vom Oktober 2017 kam es in Österreich zu teils heftigen Diskussionen des Wahlergebnisses und der möglichen Regierungskoalitionen. Eine Stimme in den Diskussionen war die der jüdischen Gemeinde bzw. ihres Präsidenten Oskar Deutsch. Auch wenn man dies nicht gesondert zu betonen braucht, hat die jüdische Gemeinde ähnlich wie andere soziale und religiöse Gruppen in Österreich hier eine legitime Stimme. Und wie notwendig es ist, diese Stimme zu erheben, zeigen nicht zuletzt die Reaktionen.

Anlass der antisemitischen Kommentare war ein offener Brief Deutschs auf seiner Facebook-Seite, indem er vor einer Regierungsbeteiligung der FPÖ warnt. Deutsch begründet seine „Ablehnung“ der FPÖ in diesem Appell an ÖVP und SPÖ in fünf Punkten:

1. Die FPÖ würde „Andersdenkende und Andersaussehende zu Sündenböcken“ machen.

2. „Fast täglich“ würde es einen „rassistischen Einzelfall“ geben oder „Abgeordnete, die antisemitische Verschwörungstheorien verbreiten“.

3. Die FPÖ stehe für „EU-Feindlichkeit“.

4. Sie verfüge über eine „deutsch-nationale Burschenschafter-Basis“ mit einer „Blut-und-Boden-Ideologie“ und ihre Vertreter würden „die Befreiung Europas 1945 als Niederlage betrauern“.

Deutsch veröffentlichte seinen Brief am Sonntag, den 22. Oktober, auf Facebook. Neben zustimmenden Kommentaren meldeten sich sofort die KritikerInnen zu Wort.

Es zeigen sich einige Muster. In der Folge wird darauf verzichtet, die widerlichen Formulierungen wörtlich wieder zu geben. Es geht hier auch gar nicht darum, die Argumentation von Oskar Deutsch zu betrachten. Vielmehr geht es darum, antisemitische Argumentationsmuster aufzuzeigen.

Unter anderem taucht dabei die Frage auf, wer Zugehörigkeit und Fremdheit definiert und wer zum „Volk“ gezählt bzw. daraus ausgeschlossen wird.

-        Es wird Oskar Deutsch das Recht abgesprochen, sich zur österreichischen Politik zu äußern.

Ein „Heinz B.“ will ihm das Recht absprechen, sich „einzumischen“, weil ihn als „Juden unsere Regierung“ nichts anginge. Und er droht ganz offen mit Vertreibung.

-        Oskar Deutsch sei kein österreichischer Bürger, sondern solle nach Israel gehen.

Ein Herrmann P. schließt ihn aus dem „wir“ aus, das hierzulande regiere. Der Präsident der österreichischen israelitischen Kultusgemeinde gehöre nach Israel.

-        Althergebrachte antisemitische Stereotype tauchen mehrfach auf: Die Juden wären „schon immer“ so…

Die antisemitischen Feindbilder werden verwendet, als ob es überhaupt keine Aufklärung darüber gegeben hätte: schmarotzen, hetzen, spalten.

-        Wegen Israel und israelische Politik verbietet sich jede politische Stellungnahme von Jüdinnen und Juden in Österreich.

Etliche Poster verweisen darauf, dass die israelische Politik und israelische Vorgangsweisen gegen PalästinenserInnen jede Kritik von jüdischer Seite in Österreich delegitimiere.

-        Verweise auf eine Verantwortung, die aus den Verbrechen des Nationalsozialismus resultiert, werden heftig attackiert: Die Poster wollen von dieser Vergangenheit nicht länger belästigt werden.

Auch hier wieder ein bekanntes, antisemitisches Argumentationsmuster: Man will nicht an die Verbrechen und insbesondere an die Beteiligung weiter Teile der österreichischen Gesellschaft erinnert werden, das stört den neuen nationalistischen Überschwang.

 

Die UserInnen scheinen Teils aus dem rechtsextremen Milieu zu stammen, Teils sind sie wohl gewöhnliche Österreicherinnen und Österreicher, die auf Facebook ihren Gefühlen und Meinungen freien Lauf lassen – und die sich häufig einer ausgesprochen aggressiven und beleidigenden Sprache bedienen. Inwieweit strafrechtliche Grenzen überschritten wurden, wird hoffentlich nach Anzeigen geklärt werden. Sicher ist jedenfalls, dass in ganz vielen Postings sich offener Antisemitismus ausdrückt.

Was können wir dagegen tun? Vielleicht nicht viel mehr, als den Hass-Postern einen Spiegel vor die Nase zu halten: Das ist Hass. Das ist Antisemitismus. Das tolerieren wir nicht.

Zum Abschluss noch eines: Die Lektüre der Postings zeigt die Debatte um Antisemitismus ganz klar auch als eine Bildungsdebatte. Und _erinnern.at_ als Bildungsinstitution wird weiterhin mit Seminaren und Lernmaterialien einen Beitrag zur Aufklärung über Antisemitismus leisten.

Weiterführende Links:

Umfrage zu Antisemitismus in Österreich

Schulheft von _erinnern.at_ zur Aufklärung über Antisemitismus und Rassismus

Unterrichtsmaterial „Wer ist schuld am Tod von Edith Winkler?“

Buch: „Bookmarks. Bekämpfung von Hate Speech im Internet durch Menschenrechtsbildung“