Barbara Sauer/ Ilse Reiter-Zatloukal: Advokaten 1938. Das Schicksal der in den Jahren 1938 bis 1945 verfolgten österreichischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte.

1830 Anwälte wurden in Österreich wegen ihrer jüdischen Herkunft verfolgt, 338 in Konzentrationslager deportiert, davon 303 ermordet. Dutzende begangen Selbstmord. Die Mehrheit musste - oft nach kurzer KZ-Haft - flüchten, wobei nur die wenigsten in der Emigration - wegen der unterschiedlichen Rechtssysteme und aufgrund erlebter psychischer Qualen - danach in den Anwaltsberuf zurückkehrten.

Als Österreich als Staat unterging und vom Deutschen Reich 1938 annektiert wurde, bedeutete dies für viele österreichische Rechtsanwälte das Ende ihrer beruflichen Tätigkeit. Am 13. März 1938 waren in die Liste der Rechtsanwaltskammer in Wien 2.605 Anwälte eingetragen, am 31. Dezember 1938 waren es nur mehr 771. (Ernst Jahoda, Geschichte der österreichischen Advokatur 1918 - 1973, Seite 49)

Mit Verordnung vom 31. März 1938 (RGBl I Seite 353) konnte Rechtsanwälten und Verteidigern die Juden waren, die Ausübung ihres Berufes untersagt werden. Die Verordnung vom 27. September 1938 (RGBl I Seite 622) bestimmte, dass jüdische Mischlinge bis zum 31. Dezember 1938 in der Liste zu löschen waren. Die Eintragungsregister der Rechtsanwaltskammern in Österreich weisen bei den betroffenen Kollegen den mit Stampiglie angebrachten Hinweis "gelöscht gemäß § 1 b, z.1 und § 7 der 5. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 27. September 1938 RGBl I Seite 1403" auf.

Die Mehrheit der Verfolgten konnte in der Emigration - wegen der unterschiedlichen Rechtssysteme und aufgrund erlebter psychischer Qualen - nicht Fuß fassen. Viele waren bis ans Lebensende auf Gelegenheitsarbeiten oder Almosen angewiesen, so etwa der Villacher Anwalt Marzell Glesinger, der in Israel als Lastenträger und Nachtwächter arbeitete, oder Gustav Leipen, der in den USA von Zuwendungen seines Neffen lebte. Auch der Präsident der Wiener Rechtsanwaltskammer, Siegfried Kantor, arbeitete in den USA nicht mehr als Anwalt. Eine Ausnahme war Abraham Groß, der in Palästina erneut die Anwaltsprüfung machte und bis zu seinem Tod als Anwalt tätig war.

Der Verein zur "Erforschung der anwaltlichen Berufsgeschichte der zwischen 1938 und 1945 diskreditierten Mitglieder der österreichischen Rechtsanwaltskammern" erforscht ihre Geschichte: - link

Barbara Sauer/ Ilse Reiter-Zatloukal: Advokaten 1938. Das Schicksal der in den Jahren 1938 bis 1945 verfolgten österreichischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte.  Manz -Verlag: ISBN 978-3-214-04194-6 - link

Eric Frey: In ein Leben in Armut vertrieben (Der Standard, 10.11.2010): - link