Rechtsextreme Umtriebe um Hitlers Geburtshaus - Interview mit Bernhard Weidinger

"...man müsste wohl das Haus planieren..."

In der Debatte um den Abriss oder die pädagogische Nutzung von Hitlers Geburtshaus spielt die Frage nach der Abwehr von Hitlertouristen eine besondere Rolle. Doch welchen Stellenwert hat Hitlers Geburtshaus für die Rechtsaußentouristen wirklich?

_erinnern.at_ hat den Politikwissenschaftler und Rechtsextremismusexperten des DÖW Bernhard Weidinger zu den Rechtsextremen Umtrieben um Hitlers Geburtshaus in Braunau befragt.

_erinnern.at_: Welchen Stellenwert nimmt Hitlers Geburtshaus in der rechtsextremen und neonazistischen Szene ein?

Bernhard Weidinger: Wir beobachten immer wieder, dass Neonazis den Ort tatsächlich als Pilgerstätte verwenden. Dabei handelt es sich oft um internationale Gäste, die aus diversen Gründen nach Österreich kommen und dann einen Abstecher nach Braunau machen. Heuer haben etwa eine ungarische Neonaziband am Weg zu einem Konzert in Vorarlberg und ein deutscher Liedermacher, der zuvor in Wien gastiert hatte, in Braunau Station gemacht. Einen gewissen Stellenwert haben Ort und Gebäude also in diesen Kreisen, man sollte diesen Stellenwert aber auch nicht überschätzen.

_erinnern.at_: Ist das Haus in Braunau ein Gedenkort für diese Gruppen?

Bernhard Weidinger: Wie an allen Orten, die einen engeren Bezug zum Nationalsozialismus aufweisen, wie der Obersalzberg oder das vormalige Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, hat auch das Hitler-Haus für Neonazis den Charakter einer Kultstätte. Insofern kann man das bejahen.

_erinnern.at_: Und was machen diese Rechtsaußentouristen dort?

Sie lassen sich gerne davor fotografieren, um zu dokumentieren, dass sie da waren. Gelegentlich kommt es auch zu Hitlergrüßen. Viel mehr gibt es für sie dort gegenwärtig auch nicht zu tun.

_erinnern.at_: Haben die rechtsextremen Touristen zugenommen?

Bernhard Weidinger: Das können wir eigentlich nicht feststellen. Wir sind darauf angewiesen, dass wir von diesen Abstechern Wind bekommen, etwa, indem die HitlertouristInnen hernach im Internet davon berichten. Die meisten Besuche finden wohl unbemerkt oder jedenfalls von außen undokumentiert statt. Insofern wäre es auch unseriös, Angaben über die Entwicklung der Besucherzahlen zu machen.

_erinnern.at_: Wie kann man diesen Rechtsaußentourismus beenden?

Bernhard Weidinger: Ich möchte das nicht als Vorschlag verstanden wissen, weil es im Bereich der Gedenk- und Erinnerungspolitik berufenere Leute gibt. Aber wenn die oberste Maßgabe wäre, den Ort als Pilgerstätte für Neonazis möglichst unattraktiv zu machen, müsste man wohl das Haus planieren und stattdessen ein Denkmal für die alliierten Armeen hinstellen. Das würde durch die zu erwartenden Vandalenakte binnen kürzester Zeit wohl auch zu einem Mahnmal gegen das Fortleben des Faschismus in der Gegenwart werden. Auch eine McDonald's-Filiale böte einen Hintergrund, vor dem kein Neonazi sich fotografieren ließe, der etwas auf sich hält.

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Dr. Bernhard Weidinger ist Politikwissenschaftler, Mitglied in der Forschungsgruppe FIPU und Mitarbeiter der Rechtsextremismus-Sammlung des DÖW, mit Schwerpunkt auf Studentenverbindungen. 2015 erschien seine Dissertation "Im nationalen Abwehrkampf der Grenzlanddeutschen". Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945“ im Böhlau Verlag.