Täter – Opfer Positionen zur NS-Herrschaftspraxis am Beispiel der Steiermark

Wann

05.11.2009 18:00 bis 07.11.2009 16:00 (CET / UTC100)

Bundesland

Steiermark

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steiermark

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Täter – Opfer.
Positionen zur NS-Herrschaftspraxis am Beispiel der Steiermark


Täter, Opfer sowie zumeist noch Zu- und Wegseher sind gegenwärtig die drei dominierenden Kategorien im Sprechen über die Zeit des Nationalsozialismus. Dabei erscheint es zentral, dass alle drei Personengruppen, sofern sie überhaupt klar trennbar sind, miteinander durch vielfältige Interaktionen und ideologische Konstruktionen wie die „Volksgemeinschaftsidee“ miteinander verbunden und somit Teil des sozialen Lebens in einer bestimmten Zeit, an einem bestimmten Ort und unter bestimmten Umständen sind. Sie bestimmen letztlich das Alltagsleben unter dem Hakenkreuz und sind Akteure im Feld nationalsozialistischer Herrschaftspraxis.
Das Zentrale Seminar 2009 beschäftigt sich am Beispiel der Steiermark mit den Spannungsfeldern zwischen Tätern, Opfern und Zusehern sowie zentralen Aspekten nationalsozialistischer Herrschaftspraxis, die diese zusammengeführt hat.

Christian Gerlach wird in seinem öffentlichen Eröffnungsvortrag (Donnerstag, 5. November, Universität Graz, Hörsaal B) die NS-Täter in den Kontext einer Sozialgeschichte der Massengewalt stellen und damit auch die Relevanz von „Täter“-Forschung hinterfragen.

Das erste Panel am Freitag (Chair: Bertrand Perz) beschäftigt sich mit „Tätern“ bzw. „Akteuren“. Den Beginn macht ein Überblick über Ergebnisse der „Täterforschung“ in Österreich (Bertrand Perz), bevor Ursula Mindler darüber spricht, wie in der Steiermark die nationalsozialistische Herrschaft durch regionale Eliten durchgesetzt wurde. Einen Teilaspekt nationalsozialistischer Machtausübung stellte die Denunziation dar - ein so genanntes Alltags-Verbrechen, mit dem sich Heimo Halbrainer in seinem Beitrag beschäftigt. Die Rolle der „Zuschauer“ in der Herrschaftsbeziehung von Tätern und Opfern ist wohl die umstrittenste, stellt sich doch die generelle Frage, ob es angesichts der Dimensionen der Menschheitsverbrechen eine neutrale Position überhaupt gibt oder nicht bereits jeder, der schweigend zusieht, letztlich zur Erhaltung des Unrechtssystems beiträgt. Michael Wildt prägte in diesem Zusammenhang den Begriff der „Komplizenschaft“, der man sich bereits durch das untätige Zusehen schuldig gemacht habe. Besonders eindringlich sichtbar wird die verbrecherische Kraft der NS-Herrschaft im Vortrag von Georg Hoffmann über die so genannten „Fliegermorde“, als an vielen Orten in Österreich und Deutschland in den letzten Kriegswochen und -tagen abgesprungene, abgeschossene und gefangen genommene Flieger der Alliierten von zum Teil „einfachen“ Bürgerinnen und Bürgern an Ort und Stelle misshandelt aber auch erschlagen und erschossen wurden.

Der Freitagnachmittag ist Workshops gewidmet, die sich vorrangig mit Vermittlungsfragen beschäftigen werden. Was kann in der Gedenkstätte Mauthausen mit SchülerInnen über „Täter“ gelernt werden? Wie kann mit konkreten Opfer- und Tätergeschichten im Unterricht gearbeitet werden?
Im Anschluss an die Workshops werden schließlich drei bereits realisierte Schul- bzw. Vermittlungsprojekte aus der Steiermark vor- und zur Diskussion gestellt.

Am Abend des zweiten Seminartages gibt es Gelegenheit, im KIZ Royal Kino den Film „The End of the Neubacher Project“ von Markus J. Carney zu sehen und im Anschluss daran mit dem Regisseur sowie Bertrand Perz über diese filmische Dokumentation des Umgangs der Familie des Regisseurs mit ihrer NS-Geschichte zu sprechen.

Der dritte Seminartag (Samstag) widmet sich in einem Vormittagspanel (Chair: Heidemarie Uhl) der NS-Herrschaftspraxis in der Steiermark „zwischen Aufarbeitung und Verdrängung“. Gerald Lamprecht beschäftigt sich mit der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung in der Steiermark, Eduard Staudinger nimmt das Kriegsende an der Grenze zu Slowenien sowie die Aktivitäten der Partisanen in den Blick. Dabei geht es nicht nur um die Ereignisse des Jahres 1945 sondern vor allem auch um die Frage nach der Erinnerung an diese in der Zweiten Republik. Eleonore Lappin befasst sich schließlich mit den Eisenerzer Prozessen, den Gerichtsverfahren gegen die Mörder vom Präbichl, einem der ca. 40 Mordorte in der Steiermark der so genannten „Evakuierungsmärsche“ ungarischer Juden nach Mauthausen, wo am 7. April 1945 mehr als 200 Menschen durch örtliche Wachmannschaften ermordet wurden.

Am Nachmittag des Samstag findet eine Exkursion nach Eisenerz und zum Denkmal auf dem Präbichl statt. Wie werden diese Morde, die Opfer und die Täter erinnert? Gespräche mit lokalen Akteuren der Erinnerung an diesen konkreten steirischen NS-Gedächtnisorten beschließen das Seminar.

Planungsteam:
Gerald Lamprecht, Heimo Halbrainer, Werner Dreier