Stalag XVIII C (317) „Markt Pongau“
Kurzer geschichtlicher Hintergrund:
1939 wurde St. Johann/Pg. auf Antrag der Gemeindevertretung in "Markt Pongau" unbenannt. Im Sommer 1941 wurde zwischen der Salzach und der Bahnlinie südlich und nördlich der heutigen Stadtbrücke das NS-Kriegsgefangenenlager STALAG XVIII C "Markt Pongau" errichtet. Es unterstand der Wehrmacht und bestand aus zwei unterschiedlichen Lagersystemen:
Dem Südlager, wo hauptsächlich Kriegsgefangene aus Frankreich, Jugoslawien, später aus Belgien, England, Italien, den Niederlanden, der USA und Polen inhaftiert waren.
Dem Nordlager, das für die 7 000 sowjetischen Kriegsgefangenen zu einem Todeslager wurde. Im November 1941 trafen die ersten Transporte mit den gefangenen Rotarmisten ein. Sie wurden vorerst in Zeltlagern untergebracht und waren schutzlos der Kälte ausgesetzt.
Während die Gefangenen des Südlagers Rot – Kreuz - Pakete erhielten, gemäß der Genfer Konvention behandelt und leidlich ernährt wurden, hausten die Soldaten der Sowjetarmee unter katastrophalen Umständen.
Von den 2 677 sowjetischen Gefangenen, die im November und Dezember 1941 interniert waren, waren im August 1942 nur mehr 527 am Leben. So schlecht waren die Ernährungsbedingungen und die medizinische Versorgung. Massenhaft starben sie an Hunger, Kälte und Krankheiten, etliche von ihnen wurden erschossen.
Anfangs wurden die Toten in einem Massengrab im Ortsfriedhof beigesetzt, ab 1942 in einem neu errichteten sowjetischen Lagerfriedhof, der sich im Volksmund als "Russenfriedhof" einprägte. Dort liegen 3 549 sowjetische und 51 jugoslawische Kriegsgefangene und Zivilpersonen begraben. 28 sowjetische Kriegsgefangene haben in St. Johann/Pg. kein Grab, ihre Leichen wurden am 8., 13. und 23. November 1941 nach Innsbruck in das Anatomische Institut der Medizinischen Universität transportiert.
Erinnerungskultur:
Lange Zeit war der "Russenfriedhof" ein vergessener Ort, umgeben von Wiesen, es führte buchstäblich kein Weg dorthin. Das änderte sich, als 2009 mit Unterstützung der Gemeinde ein Weg errichtet wurde. Beim Knoten Altach leitet ein Wegweiser an der Bundesstraße B 311 zur Zufahrt der Gedenkstätte.
Literatur und Medien:
Mitte der 1980er Jahre begann eine Auseinandersetzung mit der NS-Zeit auf lokaler Ebene. Einen großen Beitrag leisteten Michael Mooslechner und Robert Stadler mit ihrem Buch über die NS-Zeit in St. Johann im Pongau, 1986 erschienen. Erhältlich unter: www.markt-pongau.at
2005 verfasste Michael Mooslechner eine wissenschaftlich fundierte Broschüre über „Das Kriegsgefangenenlager STALAG XVIII C "Markt Pongau", welches im Schaukasten des „Russenfriedhofes“ zur freien Entnahme aufliegt. Unter: http://www.geschichtswerkstatt-stjohann.at/stalag-xviii-c.html in vier Sprachen nachzulesen.
2009 stellten Schülerinnen und Schüler der 8. Klasse des Gymnasiums St. Johann einen Film mit dem Titel "Gras drüber" fertig, in dem sie sich mit den Erinnerungsspuren an die NS - Vergangenheit in St. Johann im Pongau auseinandersetzten, siehe unter http://www.geschichtswerkstatt-stjohann.at/medien-und-literatur.html
2011 gestalteten die Schülerinnen und Schüler der 4. Klasse des Gymnasiums eine Gedenkfeier unter dem Titel "Den Opfern die Namen wieder geben". Historiker des Boltzmann Institutes Graz fanden in einer mehrjährigen Forschungsarbeit die Identitäten von 1167 toten sowjetischen Soldaten des STALAG XVIII C heraus. Eine Namensliste liegt im Schaukasten auf und ist unter: http://www.geschichtswerkstatt-stjohann.at/graumlber--denkmaumller.html einsehbar.
Geschichtswerkstatt St. Johann/Pg.:
2014 wurde die Geschichtswerkstatt St. Johann/Pg. - Verein für regionale Erinnerungskultur gegründet, http://www.geschichtswerkstatt-stjohann.at/.
2018 gestaltete der Künstler Karl Hartwig Kaltner auf Initiative der Geschichtswerkstatt und mit finanzieller Unterstützung der Gemeinde und des Landes den Eingang zur Gedenkstätte, siehe unter: https://www.flickr.com/photos/kultur-plattform/sets/72157668993179608/ .
An jedem ersten Sonntag im Monat informieren um 14.00 Mitglieder der Geschichtswerkstatt am „Russenfriedhof“ über die Hintergründe der Gedenkstätte. Auf Anfrage werden auch Führungen für Schulklassen und andere interessierten Gruppen durchgeführt. Kontakt: Annemarie Zierlinger, Obfrau: annemarie.zierlinger@sbg.at
Im Rahmen des Zeitgeschichteunterrichtes des Gymnasiums St. Johann/Pg. fanden und finden mit den SchülerInnen Gedenkfeiern statt. Um Allerheiligen lädt die Pfarre zu einer ökumenischen Andacht ein.
Heute sind für dieses Areal das Innenministerium und die Bundesimmobiliengesellschaft zuständig, für die Pflege der Anlage das Schwarze Kreuz. Herr Adolf Schwaiger, Mitglied des Schwarzen Kreuzes, betreut seit 1967 ehrenamtlich die Gedenkstätte.