Das aktuelle Buch: Akteneinsicht. MARIE JAHODA in Haft

Die Sozialpsychologin Marie Jahoda (1907–2001) saß 1936/37 neun Monate in Haft. Ihr Verbrechen war, als Revolutionäre Sozialistin die Diktatur des Dollfuß-Schuschnigg-Regimes bekämpft zu haben. Bei den Verhören und vor Gericht hielt sich Jahoda strikt an eine Regel der konspirativen Untergrundarbeit: Gib nur zu, was nicht mehr bestritten werden kann, und belaste andere nicht.

Marie Jahoda wurde 1907 in Wien in eine jüdische Familie geboren. Sie war Ko-Autorin der epochalen Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal“ aus dem Jahr 1932. 1936 wurde die engagierte Sozialistin wegen ihrer politischen Tätigkeit in Wien verhaftet. Neun Monate verbrachte sie im Gefängnis, bevor sie 1937 aus Österreich nach London emigrieren musste. 1945 ging sie für 13 Jahre in die USA, wo sie als Professorin an der New School in New York mit den exilierten Mitgliedern der „Frankfurter Schule“ zusammenarbeitete. 1958 kehrte sie nach England zurück und unterrichtete bis zu ihrer Emeritierung 1973. Marie Jahoda starb als eine der großen Persönlichkeiten der europäischen Sozialdemokratie 2001 in Sussex in ihrem 95. Lebensjahr.

Waltraud Kannonier-Finster, Horst Schreiber und Meinrad Ziegler sind Herausgeber der sozialwissenschaftlichen Schriftenreihe transblick der Michael-Gaismair-Gesellschaft, in der Kannonier-Finster, Ziegler und Johann Bacher eine mehrbändige Marie Jahoda-Edition veröffentlicht haben.

Nun liegt der vierte Band vor, der sich mit Marie Jahoda als politisch Engagierte auseinandersetzt: Horst Schreiber und Meinrad Ziegler analysieren ihre Haftzeit, Andreas Kranebitter und Christian Fleck kontextualisieren den politischen Hintergrund, Lotte Bailyn erinnert an die Zeit mit ihrer Mutter Marie Jahoda in Wien.

 Friedrich Forsthuber, Präsident des Wiener Landesgerichts für Strafsachen: „Dieses Buch leistet einen wichtigen Beitrag zur politischen Bildung und würdigt eine Frau, deren politischer Widerstand gegen Diktaturen Vorbildwirkung als Gegenpol zu einer heute weitverbreiteten Politikverdrossenheit hat – denn: ‚Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur wieder auf.‘“

Leseprobe zu Marie Jahoda: Lebensgeschichtliche Protokolle der arbeitenden Klassen 1850–1930

Leseprobe zu Marie Jahoda: Arbeitslose bei der Arbeit

Leseprobe zu Marie Jahoda: Aufsätze und Essays

Meinrad Ziegler: Lebensgeschichtliche Protokolle am Vorabend des Sozialstaats. Zur Dissertation von Marie Jahoda 1932, in: Horst Schreiber, Elisabeth Hussl (Hrsg.): Schöne Aussichten. Gaismair-Jahrbuch 2019, Innsbruck-Wien-Bozen 2018. S. 49–58.