Vortrag mit Diskussion: Wehrmachtsdeserteure in Innsbruck. Geschichte und Erinnerung

Mindestens 130 Soldaten aus Innsbruck desertierten im Zweiten Weltkrieg aus der Wehrmacht, an die hundert andere Desertierte hielten sich (vorübergehend) in der Stadt auf.
Wann

04.05.2023 von 18:00 bis 19:00 (Europe/Vienna / UTC200)

Bundesland

Tirol

Wo

Bürgersaal, Altes Rathaus, Herzog-Friedrich-Straße 21

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Programm:

Begrüßung/Eröffnung:

Lukas Morscher (Leiter des Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck)

Uschi Schwarzl (Stadträtin für Kultur)

Vortrag:

Peter Pirker (Institut für Zeitgeschichte / Universität Innsbruck)

Podiumsgespräch:

Peter Pirker, Christina Müller (Bund Sozialdemokratischer FreiheitskämpferInnen Tirol, Forschungsprojekt „Die Vergessenen vom Paschberg“) und Horst Schreiber (_erinnern.at_ Tirol)
Moderation Ingrid Böhler (Institut für Zeitgeschichte / Universität Innsbruck)

Mindestens 130 Soldaten aus Innsbruck desertierten im Zweiten Weltkrieg aus der Wehrmacht, an die hundert andere Desertierte hielten sich (vorübergehend) in der Stadt auf. Zugleich war Innsbruck ein wichtiger Gerichts- und Haftort der Militärjustiz mit einer eigenen Hinrichtungsstätte am Paschberg. Obwohl Deserteure 1945 als Pioniere des Tiroler Widerstandes galten, dominierte sehr bald ein negatives Bild. Die von der Wehrmacht propagierten Werte absoluter Pflichterfüllung, Gehorsam und heroische Selbstaufopferung kehrten als soldatisch-maskuline Ideale rasch in die Gedächtnisbildung zum Krieg und die militärische Kultur zurück. Hilfeleistungen von Frauen für Deserteure wurden nach einer kurzen Pause erneut kriminalisiert, die Flucht aus Hitlers Armee als persönliche (nicht politische) Handlung abgewertet, die zu Recht und wie in jeder Armee verfolgt worden sei. Der Kampf um Anerkennung versiegte in den 1950er-Jahren, erst in den späten 1990er-Jahren tauchte er wieder auf. Wo stehen wir heute, fast 15 Jahre nach der Rehabilitierung der ungehorsamen Soldaten und ihrer Helfer*innen durch die Republik Österreich?

Im Vortrag werden Ergebnisse des Forschungsprojektes „Deserteure der Wehrmacht in Tirol. Verweigerungsformen, Verfolgung, Solidarität, Vergangenheitspolitik in Tirol“ (2019–2022) präsentiert sowie die Frage einer sach- und zeitgemäßen Erinnerung an Deserteure und ihre Helfer*innen in Innsbruck diskutiert.

Christina Müller: „Die Vergessenen vom Paschberg“. Eine Hinrichtungsstätte der Deutschen Wehrmacht in Innsbruck (Gaismair-Jahrbuch 2014)

Hilfreiche Hände – weibliche Solidarität für Deserteure (Innsbruck informiert, 1.3.2023)