Gemeindepolitiker zu erinnern & gedenken 1938-2008

_erinnern.at_ befragte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister am Beginn des Gedenkjahres 1938-2008. Wie halten sie es mit dem Gedenken? Wird zuviel gedacht und erinnert? Erste Ergebnisse dieser Umfrage.

Eine Online Befragung Österreichischer Gemeinden und Städte.

Wie halten Sie es mit dem Gedenken? Wird zuviel gedacht und erinnert? Ist die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus moralische Verpflichtung, Teil der europäischen Erinnerungskultur oder entbehrlich?
Erinnern & Gedenken 1938 – 2008, so hieß der Titel einer Online-Umfrage zu der zwischen 7. Jänner und 18. Februar 2.365 österreichische Städte und Gemeinden über Erinnerungsarbeit und Gedenken eingeladen wurden.
Koordiniert vom Historiker Dr. Robert Streibel führte erinnern.at gemeinsam mit der Volkshochschule Hietzing diese Online-Befragung durch. Der Fragebogen umfasst 22 Fragen. Die Bandbreite reicht von der Einschätzung der Erinnerungspflege über die Einstellung der Bevölkerung in der eigenen Gemeinde/Stadt bis hin zur Frage wie und wo Erinnern an die Opfer passieren sollte.
Insgesamt haben sich 450 Gemeinden an dieser Umfrage von erinnern.at und der Volkshochschule Hietzing beteiligt. Die Umfrage war anonym und erfolgte mit dem System questback (www.questback.com). Der Rücklauf beträgt damit 18,9% und ist beachtlich, da außer der Email-Einladung an die offiziellen Email-Adressen der Gemeinden und Städte keinerlei Kontakt mit den Befragten bestand.
Besonderes Interesse wurde dieser Umfrage in Oberösterreich entgegengebracht. 23% der Rückmeldungen kamen aus Oberösterreich,  22,5% aus der Steiermark, 18,7% aus Niederösterreich und 12,2% aus Tirol.
Innerhalb von zwei Tagen nach der Einladung sich an der Umfrage zu beteiligen antworteten 32,7%, nach der Erinnerungen nach zehn Tagen füllten innerhalb der folgenden zwei Tagen 38,5% den Online-Fragebogen aus.

Die Ergebnisse zum Downloaden

Umfrage 1938-2008: Gesamt

Umfrage Vergleich W, B, NÖ , Stmk, S

Umfrage Vergleich OÖ, T, V, K

 

 

Gibt es tatsächlich ein Ja zur Gedenkkultur oder diktiert Political correctness die Antworten? Große Unterschiede innerhalb der Bundesländer erlauben ein differenziertes Bild. So weißt Wien eine hohe Sensibilität in dieser Frage auf. Erinnern soll passieren, aber nicht an den Orten des Geschehens, sondern auf eigens dafür geschaffenen Plätzen, in der Nähe von Kriegerdenkmälern und auf Friedhöfen. Erinnern wird zwar als moralische Verpflichtung angesehen aber dieser Verpflichtung nachzukommen, dies stufen nur 30% der Gemeinden als sehr wichtig ein, wobei das Bewusstsein mit der Größe der Gemeinden wächst. Dass mehr als die Hälfte ein Informationsdefizit bei der Frage, welche Opfergruppen bislang zu wenig Beachtung gefunden hätten, zeigt auch die Grenzen von Bildungsarbeit auf, es gibt nicht ein Zuwenig an Information, aber das Problem, dass das Wissens in den Alltag integriert wird, fasst der Historiker Dr. Robert Streibel die Ergebnisse der Online Umfrage zusammen. Der Rücklauf mit nahezu 19% ist beachtlich, trotz Anonymität ist jedoch anzunehmen, dass die Bereitschaft, sich an dieser Umfrage zu beteiligen, bei jenen höher ist, die dem Thema eher positiv gegenüber stehen.

65,2% der Befragten sind der Meinung, dass das Gedenken 70 Jahre danach leichter geworden ist. Fast 20% verneinen dies (18,8%) und 16,1% sind diesbezüglich unentschieden.
Gekoppelt mit der Frage „Die Notwendigkeit des Gedenkens ist nicht mehr vorrangig“, was 70,5% verneinten, zeigt sich doch ein klares Bekenntnis zur Gedenkkultur. Nahezu 20% meinen jedoch, dass Gedenken nicht mehr oberste Prioriät hat.

Die Erinnerung an die Opfer soll gepflegt werden. Insgesamt 36,3% bestätigen diese Frage als besonders wichtig in einer Skala von 1 bis 6 ein. (Die Zustimmung 1 bis 2 macht 65,8% aus) Als nicht wichtig wird dies nur von 1,8% eingestuft. Nur unwesentlich geringer ist die Zustimmung zur Frage „Die Geschichte der jüdischen Bevölkerung darf nicht vergessen werden“ 32,9% meinen, dies sei sehr wichtig. (Die Zustimmung 1 bis 2 macht 61,5% aus) Als nicht wichtig wird dies von 2,5% eingestuft.

Die Erinnerungspflege wird von fast 80% als moralische Verpflichtung gesehen. An zweiter Stelle, wobei Mehrfachantworten möglich waren liegt mit 63,5%, dass Erinnerungspflege „Teil unserer politischen Kultur“ ist. 34,7% sehen dies als Teil der europäischen Erinnerungskultur. Als Entbehrlich wird dies nur von 1,6% eingestuft.

Für 71,9% gibt es Opfer und Ereignisse, denen gedacht werden sollte. Fast ein Viertel meint, darüber zuwenig Bescheid zu wissen, um dies beantworten zu können.

In der Liste der Aktivitäten, die Städte und Gemeinden gesetzt haben, führen mit fast 40% (39,3%) Denkmäler und Erinnerungszeichen, gefolgt von Erinnerung an die Opfer 29,8%, Dokumentation der Geschichte 29,6% und der Unterstützung von Projekten an Schulen 22,8%. Mehr als ein Drittel der Gemeinden haben bisher keinerlei Aktivitäten gesetzt. (35,2%)

Wie wird das Gedenken an den Nationalsozialismus in der Bevölkerung in den jeweiligen Gemeinden und Städten aufgenommen. Mehr als die Hälfte (60%) meinen, dass dies nur teilweise auf Zustimmung in der Bevölkerung stoße, mehr als ein Drittel (36,7%) ist sich der Zustimmung sicher. Ablehnung wird nur bei 3,3% geortet.

Immerhin mehr als 60% meinten, dass sie trotz Widerständen in der Bevölkerung Aktivitäten setzen würden, nahezu 40% (38,1%) beantworteten diese Frage mit Nein. Auseinandersetzungen um das Gedenken gab es nur bei 7,7% der befragten Gemeinden und Städte, mehr als 90% konnten sich an keine Probleme erinnern. Um die Stimmung in der Bevölkerung detaillierter einschätzen zu können wurden verschiedene Möglichkeiten geboten.
Mehr als 30% meinten, dass 30% Zustimmung, 20% Ablehnung und 50% Indifferenz der Realität entspreche. Ein Drittel meinte, das es eine Mehrheit an Ablehnung gebe. 14% stimmten für das Verhältnis 10% Zustimmung und 40% Ablehnung und 17,9% für das Verhältnis mit 20% Zustimmung und 30% Ablehnung.
Insgesamt haben diese Frage 81% der Befragten beantwortet. Bei den anderen Prozentwerten überwiegen die Varianten mit Zustimmung.

Nahezu zu 40% sind private Vereine in der Gedenkkultur in den Gemeinden und Städten aktiv gefolgt von Kirchen (31,8%) und Schulen (31,1%).

Wer sollte nun Erinnerungsarbeit in den Gemeinden und Städten leisten. Nach einer Prioriätenliste gefragt auf einer Skala von 1 sehr wichtig bis 6 nicht wichtig. Rangieren an erster Stelle die Schulen mit 40,5% und die politischen Parteien mit 33,4% und 32,3% an überregionalen Organisationen. Als sehr wichtige Aufgabe für Gemeinden wird dies nur von nahezu 30% als sehr wichtig eingestuft.

77% der Befragten würde Erinnerungsarbeit ideell unterstützen, fast ein Viertel auch finanziell (23,3%), 7,6% meinten kein Interesse zu haben.

Bei der Frage nach Opfergruppen, denen bisher zu wenig gedacht worden wäre, sind WiderstandskämpferInnen mit Abstand am häufigsten genannt (32,2%) je 14,4% und 13% nannten Roma & Sinti und Deserteure. Mehr als die Hälfte konstatierten ein Informationsdefizit und meinten: Darüber weiß ich zu wenig Bescheid.

Wo sollte Erinnern und Gedenkarbeit passieren? Wiederum mit der Skala von 1 bis 6 zu werten, meinten als sehr wichtig, dass dies im Umfeld von Kriegerdenkmälern passieren sollte, gefolgt von Friedhof (33,2%) und an zentralen Stellen (30,5%). Erinnern bei Wohnungen und Geschäften sehen nur 15,8% als sehr wichtig an, wobei gleichzeitig die Ablehnung mit 27% bei allen Antworten hier am deutlichsten ausfiel.

Bei der Beantwortung der Fragen nach Bundesländern ausgewertet gibt es markante Unterschiede. Soll die Erinnerung an die Opfer gepflegt werden. Bei dieser Frage haben in Wien dies als besonders wichtig immerhin 60% gefunden im Burgenland 42%, in Niederösterreich und der Steiermark 38% und in Salzburg 24%, in Kärnten sind es 22% und in Voralberg nur 14%.

Ähnlich verhält es sich bei der Frage „Die Geschichte der jüdischen Bevölkerung darf nicht vergessen werden.“ Als besonders wichtig auf der sechsteiligen Skala finden dies 69,2% in Wien 41,9% im Burgenland, 34,9% in Niederösterreich, Oberösterreich und Kärnten liegen bei rund 28% und in Voralberg sind es lediglich 23,1%, wobei hier zumindest bei dieser Frage in der Stufenskala von 2 zumindest mit 46,2% ein deutlich höherer Wert als im Rest Österreichs zu finden ist.
Gibt es Opfer und Ereignisse denen gedacht werden müsste. Im österreichischen Durchschnitt werden bei dieser Frage 71,9% als besonders wichtig angegeben, in Wien sind es 92,3%, in Salzburg immerhin 83,3% in Oberösterreich 82% während Tirol mit 61,2% deutlich und Kärnten mit 68,2% unter dem Durchschnitt liegen.

Das Gedenken findet die Zustimmung bei der Bevölkerung der österreichische Durchschnitt liegt bei 36,/%, in Wien sind es 53,8%, in Voralberg 57,1% in Salzburg 45,8% und im Burgenland lediglich 23,3%.

Würden Sie trotz Widerständen Aktionen setzten, im österreichischen Durchschnitt beantworten 61,9% dies mit ja, in Wien sind es 92,3% und in Salzburg 75% in Kärnten sind es nur 45,5%. In Kärnten ist die Ablehnung dieser Frage mit 54,5% am höchsten.

Die Frage nach dem richtigen Ort für Gedenken an den Nationalsozialismus und deren Opfer zeigt im Bundesländer Vergleich klar, dass in Wien die Zustimmung für ein Gedenken vor Ort, bei Geschäften und Wohnungen mit 66,7% am höchsten ist, während die Ablehnung in Burgenland, Tirol, Kärnten und der Steiermark mit mehr als 33% über dem Österreichischen Durchschnitt von 26,9% liegt.

Mehr als 46% der Gemeinden unter 1.000 Einwohner präferieren ein Gedenken im Umfeld von Kriegerdenkmälern. Im Österreichischen Durchschnitt sind es 39,2% die diesem Ort die oberste Priorität geben. Beim Gedenken auf dem Friedhof gibt es hingegen bei dieser Zielgruppe keine erkennbaren Unterschiede.

Das Bewusstsein, dass Gedenk- und Erinnerungsarbeit für Gemeinden oberste Priorität hat wächst mit der Größe der EinwohnerInnen. Bei Gemeinden unter 1.000 EinwohnerInnen sind es lediglich 22,3% (im Österreichischen Durchschnitt liegt bei 27,3%), während Städte über 50.000 EinwohnerInnen zu 44,4% dies als besonders wichtig ansehen.
 

 

 

Der Fragebogen

Erinnern & Gedenken 1938 – 2008
(Online nur für die eingeladenen Gemeinden und Städte zugänglich)

Das Jahr 2008 steht ganz im Zeichen des Gedenkens. Jahrestage nahen.
Erinnern.at, ein Vermittlungsprojekt des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur für Lehrende an österreichischen Schulen eine Umfrage unter österreichischen Städten und Gemeinden zum Thema Erinnerungsarbeit und Gedenken statt.

Wir würden uns freuen, wenn Sie an dieser anonymen Umfrage teilnehmen könnten.

Für die Bearbeitung des Fragebogens benötigen Sie nicht länger als 10 Minuten.

Nähere Informationen über erinnern.at finden Sie unter www.erinnern.at Ihre Antwort bleibt anonym (QuestBack garantiert die Anonymität Ihrer Antworten)

1) Bundesland

2) Einwohnerzahl

3) Gedenken ist heute 70 Jahre danach leichter geworden Ja Nein Weiß ich nicht

4) Die Notwendigkeit des Gedenkens ist nicht mehr vorrangig

Ja Nein Weiß ich nicht

5) Die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus soll gepflegt werden
1   2   3   4   5   6
1 = sehr wichtig, 6 = nicht wichtig

6) Die Geschichte der jüdischen Bevölkerung darf nicht vergessen werden?
1   2   3   4   5   6
Mehrfachantwort möglich

7) Die Erinnerungspflege an die Opfer ist:
Moralische Verpflichtung
Teil unserer politischen Kultur
Eine Verpflichtung aus dem Staatsvertrag Gehört zum guten Ton Teil der europäischen Erinnerungskultur Ein Diktat der Besatzungsmächte Eigentlich entbehrlich

8) Gibt es Opfer des Nationalsozialismus und Ereignissen, denen gedacht werden müsste?
Ja
Nein
Darüber weiß ich zuwenig
Mehrfachantwort möglich

9) Hat die Stadt/Gemeinde/Bezirk in der Vergangenheit Aktivitäten gesetzt in Bezug auf Erinnerungsarbeit Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus Einladung ehemaliger jüdischer Bürger Dokumentation der Geschichte Ausstellung Denkmäler und Erinnerungszeichen Veranstaltungen mit Überlebenden und Zeitzeugen Projekte an Schulen unterstützt Städtepartnerschaften Erinnern.at unterstützt Ein jüdisches Museum unterstützt Anderes Keine Aktionen

10) Das Gedenken an die Opfer findet die Zustimmung der Bevölkerung in ihrer Stadt/ Gemeinde Ja Nein Teilweise

11) Würden Sie trotz Widerständen in der Bevölkerung Aktionen setzen Ja Nein

12) Gab es Auseinandersetzungen um das Gedenken / Erinnern in der Gemeinde /Stadt (um Kriegerdenkmäler z.B.?) Ja Nein

13) Was war der Grund für die Auseinandersetzung?

14) Wie würden Sie die Einstellung zu solchen Aktionen, zur Erinnerungsarbeit für Juden, Widerstandskämpfer in Ihrer Gemeinde/ Stadt einschätzen? (Beispiel: 10% Zustimmung 40% Ablehnung 50% indifferent) 10% Zustimmung 40% Ablehnung 50% indifferent 20% Zustimmung 30% Ablehnung 50% indifferent 30% Zustimmung 20% Ablehnung 50% indifferent 40% Zustimmung 30% Ablehnung 30% indifferent 50% Zustimmung 40% Ablehnung 10% indifferent

15) Wenn die angegebenen Prozentsätzen nicht mit Ihrer Einschätzung
übereinstimmen:

Mehrfachantwort möglich

16) Welche Institutionen in Ihrer Gemeinde / Stadt waren bisher und sind heute in Fragen des Gedenkens / Erinnerns aktiv?
Private Vereine
Überregionale Organisationen
Kirchen
Politische Parteien
Schulen
Jugendorganisationen
Andere
Keine Aktivitäten

17) Erinnerungsarbeit ist Aufgabe von
(1 = sehr wichtig; 6 = nicht wichtig)
Gemeinden/Stadt/Bezirk
Privaten Vereinen
Überregionalen Organisationen
Politische Parteien
Schulen
Jugendorganisationen
Kirchen

18) Würden Sie Erinnerungsarbeit unterstützen Finanziell Ideell, als BürgermeisterIn, Vertreter der Gemeinde Keine Möglichkeit der Unterstützung Kein Interesse Mehrfachantwort möglich

19) Gibt es Opfergruppen, denen bislang zu wenig gedacht wurde?
Juden
Widerstandskämpfer
Kommunisten
Sozialisten
Homosexuelle
Lesben
Deserteure
Roma und Sinti
Zeugen Jehova
KatholikInnen
ProtestantInnen
MonarchistInnen
SlowenInnen
KroatInnen
TschechInnen
Andere
Darüber weiß ich zuwenig

20) Wo sollte Gedenken/ Erinnern an die Opfer passieren?

Erinnern vor Ort, bei Wohnungen und Geschäften Erinnern an einem zentralen Stelle im Ort Erinnern im Umfeld von Kriegerdenkmälern Erinnern auf dem Friedhof

21) Ich wünsche mir eine fachliche Beratung in der Frage von Gedenken und Erinnern.
Ja
Nein
Kein Bedarf

22) Was ich noch sagen möchte...