Trinationales Webinar: "The Holocaust as a Starting Point: Austrian, Croatian, Slovenian Dialogue"

Mit Erinnerungskultur und Bildungsarbeit über NS-Verbrechen aus transnationaler Perspektive setzte sich im Dezember 2020 ein trinationales Webinar für LehrerInnen auseinander.
Ein Bericht von Mitorganisator Gerald Lamprecht, _erinnern.at_ Steiermark / Centrum für Jüdische Studien Graz

Auf Initiative und gemeinsam mit dem Mémorial de la Shoah in Paris organisierten das Zavod Republike Slovenije za šolstvo (das nationale slowenische Bildungsinstitut), die Agencija za odgoj I obrazovanje (die kroatische Agentur für Bildung und Weiterbildung) sowie _erinnern.at_ im Dezember 2020 an vier Halbtagen das trinationale Webinar “The Holocaust as a starting point: Austrian, Croatian, Slovenian dialogue”. Ziel der Veranstaltung, an der mehr als 40 LehrerInnen teilnahmen, war es, in Vorträgen und Workshops zur Geschichte von Nationalsozialismus, Faschismus und Holocaust in Südosteuropa LehrerInnen aus den drei Nachbarstaaten miteinander ins Gespräch zu bringen, um Überschneidungen und Differenzen der jeweiligen nationalen Geschichts- und Erinnerungsnarrative auszuloten und für die jeweilige Unterrichtspraxis fruchtbar zu machen.

 

Im Zentrum der vier einleitenden historischen Vorträge standen hierbei die Ereignisse des Jahres 1945 im Grenzgebiet zwischen Österreich und dem damaligen Jugoslawien sowie der geschichtspolitische Umgang damit bis in die Gegenwart in Österreich, Kroatien und Slowenien. Den Auftakt dazu bildete der Vortrag von Ljiljana Radonić, die sich am Beispiel von Museen und Gedenkstätten mit den kontroversiellen Erinnerungsnarrativen in Europa seit den 1990er Jahren befasste. Den Fokus legte sie hierbei auf die divergierenden nationalen Geschichtsnarrative, die sich zwischen der Erinnerung an die Opfer des Holocausts, Opfererzählungen des Kommunismus und dem schwierigen Umgang mit Kollaboration mit dem Nationalsozialismus und Faschismus bewegen. Beispielhaft wurde diese komplexe Geschichte von Martina Grahek Ravančić am schwierigen Umgang in der kroatischen Gesellschaft und Politik mit den Ereignissen von Bleiburg im Mai und Juni 1945 diskutiert. Im Zentrum dieser Debatten stehen die nationalistisch aufgeladenen Auseinandersetzungen um die Verleugnung der Täterschaft des faschistischen Ustascha-Regimes bei gleichzeitiger Betonung eines Opferstatus, angesichts der Gräuel der Tito-Truppen im Mai und Juni 1945. Diese Komplexität von Opfer- und Täterschaft betonte auch Keith Lowe in seinem Beitrag, in dem er nochmals ins Gedächtnis rief, dass die Gewalt in Europa nicht mit der Kapitulation Nazi-Deutschlands im Mai 1945 endete. Vielmehr waren das Kriegsende und die Nachkriegszeit von zahlreichen weiteren Gewaltverbrechen und ethnischen Säuberungen geprägt. Diese Nachgeschichte mache es, so Lowe, letztlich schwierig Geschichte in eindeutigen Opfer-Täter-Binaritäten zu denken, was sich bis in die Gegenwart in den Erinnerungsdiskursen Sloweniens und Kroatiens widerspiegle. Mit einem wenig bekannten Thema befasste sich schließlich der Vortag von Dušan Nećak. Er thematisierte das Schicksal österreichischer Nazi-Putschisten von 1934, die nach dem gescheiterten Putschversuch vom 25. Juli aus Österreich nach Jugoslawien flohen und von dort schließlich nach Nazi-Deutschland reisen konnten.

 

Das Konzept des Webinars sah vor, dass die vier einleitenden Vorträge eine breite historische Kontextualisierung liefern, um dann in den anschließenden acht Workshops unterrichtsbezogen über konkrete Themenfelder zu diskutieren. Die Workshops befassten sich mit der Erinnerungskultur im österreichisch-slowenischen Grenzgebiet (Nadja Danglmaier), der Frage nach dem Umgang mit rassistischen Vorurteilen (Fabrice Teicher), den von der IHRA entwickelten Leitlinien zum Lehren und Lernen über den Holocaust (Loranda Miletić), Friedensdialogen in der Region Alpe-Adria (Werner Wintersteiner), der Erinnerungskultur der Kärntner SlowenInnen (Daniel Wutti), der Bedeutung von Populärkultur wie Comics und Fernsehserien über den Holocaust für den Geschichtsunterreicht (Georg Marschnig) sowie dem Schicksal der Roma und Sinti im Burgenland (Herbert Brettl). Wie all das letztlich konkret in den Unterricht einfließen könnte, war schließlich auch Gegenstand des Workshops von Juraj Varga.

 

Auf Grund der Pandemie war es nötig, dieses trinationale Seminar als Webinar durchzuführen. Hierbei wurden allen TeilnehmerInnen trotz vieler Erfahrungen mit Online-Unterricht in den letzten Monaten erneut sowohl die Chancen als auch die Grenzen von Online-Kommunikation verdeutlicht. Auf der einen Seite war es möglich, Vortragende und TeilnehmerInnen aus unterschiedlichsten Regionen und Ländern zusammen- und ins Gespräch zu bringen und doch zeigte sich auf der anderen Seite auch, dass letztlich für ein längerfristig erfolgreiches Gespräch abseits des inhaltlichen Austauschs und der Wissensvermittlung auch der persönliche, informelle Kontakt von zentraler Bedeutung ist. Und gerade hier liegen letztlich auch die Grenzen von Online-Kommunikation und Webinaren, womit der Hoffnung Ausdruck verliehen werden soll, dass eine Weiterführung des Dialogs idealerweise nach dem Ende der Pandemie in einem physischen Zusammentreffen stattfindet.

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