Wenn es heute bei uns über asylsuchende Flüchtlinge zu hitzigen Debatten kommt, wird eines oft vergessen: Es ist noch nicht so lange her, dass Österreicher und Österreicherinnen selbst aus diesem Land flüchten mussten. Nur so konnten sie ihr Leben vor dem nationalsozialistischen Terror retten. Eines jener Länder, in denen österreichische Juden und Jüdinnen ab 1938 Zuflucht fanden, war das damals unter britischem Mandat stehende Palästina, das spätere Israel.
Was bedeuten solche Flucht-Erfahrungen für Menschen? Wie lässt sich das in Worte fassen? Wie sieht ein Leben aus, das in Österreich begonnen hatte, in der Nazizeit bedroht und dann von einem dauernden Kriegszustand geprägt war? Diese Fragen motivierten _erinnern.at_ zu den Begegnungen mit ehemaligen Österreichern und Österreicherinnen in Israel.
www.neue-heimat-israel.at
Die neue DVD und die Webseite wurden am 5. Mai 2011 im Festsaal des bmukk (Freyung 1, 1010 Wien) der Öffentlichkeit vorgestellt
Programm
Begrüßung: Sektionschef Kurt Nekula, bmukk: - link
Werner Dreier, Geschäftsführer _ erinnern.at_: - link
Zum Wert von ZeitzeugInnen-Erzählungen: Albert Lichtblau (Univ. Salzburg)
Albert Lichtblau zeichnete den Weg der HistorikerInnen-Forschergeneration nach, die in den Fünfzigerjahren geboren wurde: Verdrängen, vergessen, ausblenden der NS-Zeit sei das Motto gewesen, zu Hause, in der Schule und an der Universität. In den Achtzigerjahren sei dann der Paradigmenwechsel erfolgt. Die „Grabe-wo-du-stehst-Bewegung“ habe zu den ersten großen Oral History-Projekten geführt – damals noch scheel angeschaut von der etablierten Historikergeneration. Wichtig sei heute die Lebenserinnerungen zu sammeln, zu speichern und so der Nachwelt zu erhalten. Albert Lichtblau führte gemeinsam mit Markus Barnay und Karl Rothauer (Kamera) die Interviews in Israel.
Projektverantwortlicher: Markus Barnay (ORF):
Wie schon bei der DVD „Das Vermächtnis“ war Markus Barnay gemeinsam mit Werner Dreier für die Projektleitung verantwortlich. Er schilderte seine Interview-Erfahrungen in Israel. Sein Dank galt den ZeitzeugInnen, die bereit waren, ihre Geschichten vor der Kamera zu erzählen. Das sei oft sehr schwer gewesen – umso sorgsamer müsse daher mit dem Erzählten umgegangen werden. Er zeigte auf, wie unterschiedlich die Lebensläufe und die Schicksale der Geretteten waren. Dabei spielten viele Faktoren eine Rolle: Erfolgte die Einreise nach Palästina/Israel „legal“ oder „illegal“, der Zeitpunkt der Einreise (David Weiss, der Sohn des letzten Rabbiners von Wiener Neustadt entschied sich als in der USA lebender Universitätsprofessor erst 1965 nach Israel auszuwandern) oder mit welcher Vorbildung die neue Heimat betreten wurde.
"So gut wie alle haben erzählt, dass sie mit ihren eigenen Kindern nicht über diese Zeit gesprochen haben, sondern erst mit den Enkeln", so Barnay.
Das Projekt sei sehr spät gestartet worden – und für manche zu spät. Shemuel Alexander Katz und Batya Netzer erlebten die Präsentation leider nicht mehr.
Didaktik und Präsentation der Website: Maria Ecker
Für die Arbeitsgruppe „Didaktik“ gab Maria Ecker einen Einblick in die methodisch-didaktischen Überlegungen und zeigte auf, wie die auf der Webseite zur Verfügung gestellten Interviews produktiv für den Unterricht genutzt werden können. Anhand des Beispiels von Jehudith Hübner erklärte sie den Aufbau der Homepage und ihre didaktische Ausrichtung.
Jehudith Hübner, Jerusalem, im Gespräch mit Albert Lichtblau
Einen unvergesslichen Eindruck hinterließ das abschließende Gespräch von Albert Lichtblau mit Jehudith Hübner, die von ihrer Tochter begleitet wurde.
Jehudith Hübner wurde 1921 als Jessy Winkler in Wien geboren. Ihre Eltern und ihre jüngere Schwester wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Ein Erlebnis aus ihrer Kindheit erzählt sie, wie wenn es gestern gewesen wäre: Sie erlebte als Volksschülerin, wie sie von einem Tag auf den anderen als Jüdin von einer Schulfreundin ausgegrenzt und von der Lehrerin nicht in Schutz genommen wurde – eine Enttäuschung, die sie bis heute nicht überwunden hat.
Jehudith Hübner konnte nach Palästina entkommen und brachte es im Staat Israel zur Botschafterin und Vizebürgermeisterin von Jerusalem. Das Verhältnis zu ihrer Ursprungsheimat Österreich umschreibt sie heute mit dem Wort „Hassliebe“. Hier leben möchte sie nicht, denn Israel ist ihre neue Heimat geworden. Doch ganz wichtig für sie ist das Gespräch mit den Jugendlichen - sie sollen erfahren, wie es einst gewesen ist. - link
ORF-Vorarlberg-Bericht von Ingrid Bertel (5. Mai 2011) zur DVD/Website (mit Video von Jehudith Hübner/Audio-Datei): - link
"Zeitzeugen" - "Vorarlberg heute" (ORF, 5. Mai 2011) - download
Grußworte von Gideon Eckhaus
Präsentation der DVD/Website "Neue Heimat Israel" in Tel Aviv (31. 5. 2011)
Ansprache von Herrn Gideon Eckhaus, Vorsitzender des Zentralkomitees der Juden aus Österreich in Israel, am 31.5.2011, anlässlich der Präsentation von "Neue Heimat" im Seniorenklub der Österreicher in Tel Aviv: - download