2. August - Internationaler Tag des Gedenkens an den Genozid an den Sinti und Roma
Rund 500.000 Roma und Sinti wurden während des Holocaust ermordet - Opfer einer rassistischen Verfolgungspolitik deutscher und österreichischer Nationalsozialisten und ihrer faschistischen Verbündeten. Doch diesem Völkermord kommt heute immer noch wenig Beachtung zu. Roma und Sinti wurden in Vernichtungslagern, wie etwa in Auschwitz, getötet und fielen in Zwangsarbeits- und Konzentrationslagern der alltäglichen Gewalt, Hunger und Krankheiten zum Opfer. Viele wurden deportiert und als Zwangsarbeiter ausgebeutet, auf Bauernhöfen, auf Baustellen und in der Industrie. Roma und Sinti nennen diesen Genozid „Porajmos“, was „Verschlingung“ oder „Zerstörung“ auf Romani bedeutet.
Die Verfolgung der österreichischen Roma und Sinti
Auch österreichische Roma und Sinti wurden in der Zeit des Nationalsozialismus als „Zigeuner“ bzw. als „Asoziale“ verfolgt und systematisch ermordet. Vor 1938 lebten rund 11.000 bis 12.000 Roma und Sinti in Österreich, die meisten davon im Burgenland. Die nationalsozialistische Verfolgung der Roma begann im Juli 1938 mit der Einführung der Zwangsarbeit für „Zigeuner“. Doch auch schon vor 1938 war die Gruppe der Roma und Sinti massiver Diskriminierung ausgesetzt die österreichischen Behörden erfassten auf rassistischer Basis Roma und Sinti in einer Kartei. Diese Daten dienten später den Nationalsozialisten als Ausgangspunt für Verhaftungen und Deportationen. In Österreich errichteten die Nationalsozialisten drei „Zigeunerlager“, das größte davon im burgenländischen Lackenbach. Hier wurden 4000 Menschen unter unmenschlichen Umständen interniert, 273 starben im Lager selbst, viele wurden in Konzentrationslager im besetzen Polen deportiert.
Nach der Befreiung wurden die Überlebenden jahrzehntelang nicht als Opfer nationalsozialistischer Verfolgung anerkannt und erhielten nur geringe oder überhaupt keine Entschädigungszahlungen für ihren verlorenen Besitz.
Auschwitz und Chelmno als zentrale Gedenkorte
Insgesamt wurden 2900 österreichische Roma und Sinti nach Auschwitz deportiert und dort im abgegrenzten „Zigeunerlager“ inhaftiert. Die Todesraten waren aufgrund der unmenschlichen Bedingungen sehr hoch, bis Ende 1943 starben 70 % der Häftlinge des "Zigeunerlagers". Ende Juli 1944 wurden alle arbeitsfähigen Häftlinge in Konzentrationslager verlegt. In der sogenannten „Zigeunernacht“ vom 2. auf den 3. August 1944 wurden alle noch im „Zigeunerlager“ lebenden Häftlinge in den Gaskammern von Auschwitz ermordet. Dieses grausame Ereignis wurde als Gedenktag für die 500.000 weiteren Roma und Sinti gewählt, die während des Nationalsozialismus aus rassistischen Motiven ermordet wurden.
1941 wurden 5000 österreichische Roma nach Lodz deportiert, dort brach eine Epidemie aus, die nationalsozialistische Lagerleitung verweigerte die Ausgabe von Medikamenten. Die noch lebenden Insassen wurden zwischen Dezember 1941 und Jänner 1942 im Vernichtungslager Chelmno ermordet. Am 3. August 2016 wurde in Chelmno ein Gedenkstein für die ermordeten österreichischen Roma enthüllt. Die LandtagspräsidentInnen des Burgenlandes sowie der Steiermark, der Obmann des Kulturvereins Österreichischer Roma, der österreichische Botschafter in Polen, der wissenschaftlicher Leiter des DÖW und Martina Maschke, Obfrau von _erinnern.at_, wohnten der Denkmalsenthüllung bei.
Gedenken 2016/1944
Am 2. August 2016 fand im Abschnitt B II e der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, dem sogenannten „Zigeunerlager“ die offizielle Porajmos-Gedenkfeier statt. Neben Angehörigen der Minderheit der Roma aus mehreren Ländern, RepräsentantInnen des polnischen Staates, der Kirchen und anderer Institutionen, waren auch die BotschafterInnen verschiedener Länder und weitere diplomatische VertreterInnen vertreten. Martina Maschke, Abteilungsleiterin der Abteilung Protokoll, Internationale bilaterale Angelegenheiten und Holocaust Education – international im BMB, Obfrau von _erinnern.at_ und Vorsitzende des Komitees der IHRA über den Genozid an den Roma und Sinti, war bei der Gedenkveranstaltung anwesend.
Auf Initiative des Internationalen Roma Jugendnetzwerk „TERNYPE“ besuchten auch 350 junge Roma und Nicht-Roma aus ganz Europa die Gedenkstätte Auschwitz und nahmen an der Gedenkfeier teil.
Für die Holocaustüberlebenden der Sinti und Roma sprach Raymond Gureme, der verschiedene NS-Konzentrationslager überlebte und in der französischen Widerstandsbewegung aktiv war. Gureme richtete seine Rede an die Jugendlichen: “You must resist. You must resist the discrimination, racism, violent evictions to which the Roma and Travellers are falling victim across all of Europe. We, the old ones have lit the flame. Now, it is up to young people to feed it, make it grow and so that we become stronger. Young people, stand up! Stay standing and never fall to your knees”.
Das Europäische Parlament hat 2015 den 2.August zum europäischen Holocaust-Gedenktag für die Roma erklärt. Gleichzeitig verurteilte das Europäische Parlament „bedingungslos und unmissverständlich jede Form von Rassismus und Diskriminierung gegenüber Roma“.
Statement von OSZE und IHRA
Einige Gedenkorte sind heute noch immer schlecht erschlossen oder sind in einem schlechten Zustand, so besteht auf dem Gelände des ehemaligen Roma Konzentrationslagers Lety u Pisku heute eine Schweinefarm. „Die Schaffung von würdevollen Gedenkstätten und ein angemessenes Erinnern tragen erheblich zur Identitätsstärkung von Opfergruppen bei. Daher hat das Committee on the Genocide of the Roma der IHRA gemeinsam mit der Memorials and Museums Working Group einen besonderen Fokus auf dieses Thema gelegt. Entscheidend unterstützt wird dies durch den aktuellen Vorsitzenden der IHRA, dem Diplomaten Mihnea Constantinescu, der in diesem Zusammenhang vor drei Wochen Gespräche mit der tschechischen Regierung in Bezug auf die unhaltbaren Zustände im ehemaligen Roma Konzentrationslager Lety u Pisku geführt hat und sich für eine würdevolle Gestaltung der Gedenkstätte eingesetzt hat“, so Martina Maschke, Vorsitzende des Committee on the Genocide of the Roma. Ende November 2016 erklärte sich die tschechische Regierung bereit die Schweinefarm zu schließen.
Michael Georg Link, Direktor des OSZE Menschenrechtsbüros (ODIHR) und Mihnea Constantinescu , Vorsitzender der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) haben anlässlich des Gedenkens an den Genozid an den Roma eine gemeinsame Erklärung abgegeben, in der sie Staaten zu entschiedenen Maßnahmen zum Erhalt von Porajmos-Gedenkstätten auffordern. Darüber hinaus zeigen sich die Vertreter von OSZE und IHRA besorgt über den aktuellen Anstieg von Rassismus in Europa. „Die Förderung des Verständnisses des Holocausts und seiner Auswirkungen auf verschiedene Gemeinschaften kann dazu beitragen Empathie und Nichtdiskriminierung für alle zu fördern“ so Link.
Lernmaterialien
_erinnern.at_ bietet grundlegende Informationen für SchülerInnen und Lehrer über den Völkermord an den europäischen Sinti und Roma.
http://www.romasintigenocide.eu/
http://www.erinnern.at/bundeslaender/oesterreich/gedenktage/8.-april-internationaler-roma-gedenktag
http://www.erinnern.at/bundeslaender/oesterreich/e_bibliothek/roma
Weiterführende Informationen:
Europäisches Parlament Roma Gedenken Entschließung
Der Standard zur Denkmalenthüllung in Chelmno
IHRA über die Gedenkstätte Lety
Joint statement of OSCE and IHRA
Joint statement mit weiterführenden Links
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