Film „The Class of ‘38. Exile & Excellence“ – Lernen über Flucht, Vertreibung und Neubeginn

„The Class of ‘38. Exile & Excellence“ lässt WissenschaftlerInnen, die während des Nationalsozialismus aus Österreich vertrieben wurden, in einem filmischen Dokument zu Wort kommen. In Videointerviews werden Ausgrenzung, Verfolgung, Flucht und Vertreibung sowie Exil und Neubeginn - auch für SchülerInnen - erfahrbar gemacht.

Für den von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften produzierten Film „The Class of ‘38. Exile & Excellence“ wurden 16 herausragende WissenschafterInnen interviewt, die einen gemeinsamen Erfahrungshintergrund haben: Als Kinder oder Jugendliche hatten sie nach dem „Anschluss“ 1938 die nationalsozialistische Terrorherrschaft in Wien erlebt, sie mussten als Jüdinnen und Juden Österreich verlassen und haben in Israel, England und den USA Aufnahme gefunden. Die Interviews werden im Film, der zum Teil Deutsch untertitelt ist, als zusammengehörige Gruppe, als „Class of ’38“, im Hinblick auf den Zusammenhang von „Exile & Excellence“ präsentiert. Der Film eignet sich zum Einsatz im Unterricht und wird nachfolgend mit einem passenden Arbeitsimpuls von _erinnern.at_ zum Lernen mit ZeitzeugInnen-Interviews vorgestellt. Die 30-minütige Kurzfassung kann hier gestreamt werden.

Stimmen aus dem Film

„Innerhalb einer Woche wurde ich von der ersten Reihe in die letzte Reihe der Klasse versetzt, dann musste ich hinten stehen, dann wurde ich nicht mehr ins Schulhaus gelassen.“ Walter Mischel, geboren 1930 in Wien, flüchtete 1938 mit seiner Familie in die USA, wurde später Professor für Psychologie und zählte zu den weltweit bedeutendsten Persönlichkeitspsychologen.

„Ich wurde herausgeschmissen aus dem Akademischen Gymnasium, also jetzt bist du noch ein Schüler hier und morgen wirst du es nicht mehr sein.“ Walter Kohn, geboren 1923 in Wien, flüchtete 1939 als 16-Jähriger mit einem Kindertransport nach Großbritannien, wurde 1940 als „enemy alien“ in ein kanadisches Internierungslager verbracht und emigrierte später in die USA. Der Physiker und Chemiker erhielt 1998 den Nobelpreis für die „Entwicklung der Dichtefunktionaltheorie“.

„Ich ging zur Schule in New York, viele jüdische Kinder waren in meiner Klasse, aber sie waren viel traditioneller. Ich war völlig weltlich erzogen worden, ich kannte die Traditionen gar nicht. Mir war irgendwie klar, ich musste auf gewisse Weise jüdischer sein als die anderen, denn deswegen musste ich ja aus meinem Land flüchten.“ Lotte Bailyn, geboren 1930 in Wien, wurde 1937 von ihrem Vater, dem Sozialforscher Paul Lazarsfeld, nach New York geholt. Ihre Mutter, die Sozialforscherin Marie Jahoda, war während des Austrofaschismus inhaftiert worden. Sie studierte in Harvard, unterrichtete am Massachusetts Institute of Technology und ist als renommierte Sozialpsychologin bekannt.

Was die drei zitierten in Österreich geborenen Personen gemeinsam haben ist einerseits, dass sie – wie zigtausende andere bekannte und unbekannte Verfolgte – infolge des „Anschlusses“ von Österreich an das Deutsche Reich von SchülerInnen zu Flüchtlingen und Vertriebenen wurden und andererseits in ihren Zufluchtsländern wissenschaftliche Laufbahnen einschlugen und dabei zu Exzellenz gelangten. Sie kommen gemeinsam mit 13 weiteren WissenschafterInnen im Film „The Class of ‘38. Exile & Excellence“ zu Wort.

Verfolgung und Vertreibung, Flucht und Exil

Die Suche nach Möglichkeiten, um dem nationalsozialistischen Terror zu entkommen, hatte in Österreich zu einem Zeitpunkt begonnen, als zahlreiche Staaten bereits eine restriktive Aufnahmepolitik gegenüber Geflüchteten verfolgten. Vor allem Jüdinnen und Juden und politische GegnerInnen sahen sich nach dem März 1938 einer massiven Verfolgung- und Vertreibungspolitik der NationalsozialistInnen ausgesetzt. Fanden Verfolgte in den ersten Monaten nach dem „Anschluss“ vor allem in europäischen und nordamerikanischen Staaten Zuflucht, so wurde nach dem Novemberpogrom, als mehrere Länder ihre Einwanderungsbestimmungen noch einmal verschärft hatten, verstärkt Länder in Übersee und Palästina als Fluchtoption in Betracht gezogen. Wie auch die Erfahrungen der im Film Porträtierten zeigen, landeten die Vertriebenen oft rein zufällig in einem bestimmten Fluchtland, nicht selten entschieden finanzielle Mittel über die Destination und Viele ließen Angehörige zurück.

Über das Filmprojekt

Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen wissenschaftlicher Exzellenz und Emigrations- und Exilerfahrung motivierte den Präsidenten der Österreichischen Akademie der Wissenschaft Anton Zeilinger nach seinem Amtsantritt im Jahr 2013 zur Initiierung des Filmprojektes. Als junger Wissenschafter am MIT in Boston haben ihn die Begegnungen mit emigrierten österreichischen Wissenschaftlern sehr beeindruckt und berührt.

„Begegnungen und direkte Gespräche mit verfolgten und vertriebenen WissenschafterInnen haben meine Sicht auf die Schicksale dieser Persönlichkeiten und auf den Holocaust tief geprägt. Es ist mir ein Anliegen, mit diesem Film die Erfahrungen dieser Menschen, die als Kinder und Jugendliche aus Österreich fliehen mussten, jungen Menschen zugänglich zu machen.“ (Anton Zeilinger)

 

Der Film wurde vom österreichisch-britischen Filmemacher Frederick Baker gestaltet und gemeinsam mit den HistorikerInnen Heidemarie Uhl und Johannes Feichtinger umgesetzt.

„Als Kinder oder Jugendliche haben sie die nationalsozialistische Terrorherrschaft in Österreich erlebt, sie mussten als Jüdinnen und Juden flüchten und haben in Israel, England und den USA Aufnahme gefunden. Wir haben ihnen die Frage gestellt: Gibt es einen Zusammenhang zwischen ihrer traumatischen Fluchterfahrung und ihrer wissenschaftlichen Karriere?“ (Johannes Feichtinger/Heidemarie Uhl)

 

Die Wahl der Sprache und des Aufnahmeortes wurde den Interviewten freigestellt. Die Interviews fanden in einem konzeptuellen Setting einzeln in verschiedenen Ländern und Orten statt, in Privatwohnungen, Büros, Bibliotheken, und auch im Festsaal der Akademie in Wien. Sie werden im Film, der zum Teil Deutsch untertitelt ist, als zusammengehörige Gruppe, als „Class of ’38“, im Hinblick auf den Zusammenhang von „Exile & Excellence“ präsentiert.

Lernen mit Video-Interviews

Video-Interviews können „echte“ Begegnungen mit ZeitzeugInnen nicht ersetzen, haben aber dafür andere Qualitäten und eröffnen andere Möglichkeiten. Sie können pausiert und wiederholt werden. Sie können via Smartphone oder Beamer, über Kopfhörer oder Audio-Anlage rezipiert werden. Sie können alleine, ganz nach individuellem Lerntempo, oder im Klassenverband geschaut werden. Zum empathischen Rezipieren kann sich leichter auch ein quellenkritischer Blick auf das Medium und die Erzählung einstellen. Die vielleicht wichtigste Voraussetzung für das Lernen mit Video-Interviews ist, dafür ausreichend Zeit einzuplanen. Wenn auch die Verlockung groß ist, die Videos passiv zu konsumieren, ist die aktive Beschäftigung mit dem Gesehenen für den Lernprozess zentral. Erfahrungsgemäß lösen Erzählungen von ZeitzeugInnen der NS-Zeit bei den Lernenden viele Fragen, Empfindungen, auch empathische Reaktionen aus. Diese sollen besprochen werden. So werden nicht nur historische Inhalte gefestigt und vertieft, sondern auch soziale und kommunikative Fähigkeiten gestärkt. Für eine solche aktive Auseinandersetzung bieten die Lernmaterialien von _erinnern.at_ umfangreiche und vielfältige Anregungen, meist in Form von fertigen Stundenbildern, die flexibel einsetzbar sind.

Zu den Angeboten von _erinnern.at_: - Link

Arbeitsimpulse für SchülerInnen zur Vor- und Nachbereitung des Films "Class of '38":

 

Als Vorbereitung auf den Film empfehlen wir folgenden Arbeitsimpuls:

Im Film „Class of 38 – Exile and Excellence“ kommen 16 ehemalige ÖsterreicherInnen zu Wort, die von den NationalsozialistInnen vertrieben wurden. Auf der Website zum Film findest du kurze Biographien zu diesen Menschen. Lies die Biographie und stelle sie anschließend den anderen in wenigen Sätzen vor. Sammelt anschließend Fragen, die euch jetzt beschäftigen.

 Als Nachbereitung können folgende Punkte aufgegriffen werden:

  • Welche Aussage im Film hat bei dir den stärksten Eindruck hinterlassen?
  • Vergleicht mit den Fragen, die ihr vorbereitend gesammelt habt: Welche davon wurden im Film beantwortet? Welche sind noch offen (wo und wie könntet ihr hier zu Antworten kommen?)?
  • Einer der Porträtierten sagt im Film: „Wir sprechen hier von der ‚Exzellenz‘ einer ganz kleinen Gruppe. Wir reden nicht über die große Mehrheit, (…) die umgebracht wurden oder verhungerten. Kinder wie ich, in Nazi-Europa. Und von Überlebenden schauen wir nur auf jene, die ‚Exzellenz‘ erreicht haben.“ Wie stehst du zu dieser Aussage?

Zu den Kurzportraits der Interviewten: - Link

DVD-Bestellmöglichkeit: - Link