„06.04.1945“

Die Künstlerin Ramesch Daha nimmt die "Kremser Hasenjagd" zum Anlass für ein beeindruckendes Kunstwerk
Wann

23.06.2018 von 14:00 bis 16:00 (CET / UTC200)

Bundesland

Niederösterreich

Wo

niederoesterreich

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Die Herausforderung, eine rund 100 Meter lange und 10 Meter hohe Mauer, die die Justizanstalt Stein an nordöstlicher Seite von seiner Umgebung abgrenzt, mit einem künstlerischen Projekt zu gestalten, nahm die in Wien lebende Künstlerin Ramesch Daha zum Anlass, ein dunkles Kapitel der Haftanstalt aufzugreifen: als Teil der sogenannten „Endphasenverbrechen“ als „Kremser Hasenjagd“ bezeichnet, wurden am 6. April 1945 beinahe 400 überwiegend politische Häftlinge sowie der Direktor und drei Gefängniswärter der Justizanstalt Stein durch Angehörige der Waffen-SS, Wehrmacht und SA, unterstützt von lokalen NS-Funktionären, ermordet. In einem erschütternden Gewaltakt wurden in der Anstalt und der Umgebung von Krems, die aufgrund des kurz bevorstehenden Kriegsendes freigelassenen Häftlinge wie der für ihre Entlassung verantwortliche Leiter umgebracht. 

Die Künstlerin stellt dieser Gräueltat einen scheinbar formalen Kontrapunkt gegenüber: Ramesch Daha übertrug Auszüge – insgesamt 17 Seiten – des Strafgefangenen-Registers von 1944/45, das der Kremser Historiker Robert Streibl zur Verfügung stellte, wandfüllend und nicht weiter kommentiert auf die Gefängnismauer. Sie rückt durch das verwendete Kopierverfahren eine nüchterne Dokumentation der damaligen Insassen in den Blick. Die riesenhafte Übertragung der historischen Blätter mit ihren handschriftlichen Auflistungen aber erzeugt eine Ebene des Persönlichen, die, Zeile für Zeile, auch Zeugnis der Schicksale ist und versucht, der Unfassbarkeit des Ereignisses durch die schiere Größe der Übertagung ein Gesicht zu geben. 

Die Registerseiten wurden wie Blaupausen, also Durchschläge, auf die Wand gesetzt: Die Schrift sowie alle Spuren, die auf den Kopien, die der Künstlerin zur Verfügung standen, vorhanden waren, wurden in aufwendigen Arbeitsschritten zunächst auf
1:1 großen Vorlagen punktiert, die Umrisse mit Ruß auf die Wand übertragen und im Anschluss mit blauer Farbe ausgemalt. Der Charakter des Wandbildes als riesenhafte Kopie ist sofort ersichtlich, die Namen der Insassen wurden aus Respekt und Diskretion der betroffenen Personen und Familien gegenüber unkenntlich gemacht. 

Die Wand, die Innen und Außen voneinander trennt, wird so zur Projektions- und Reflektionsfläche dieser dunklen Seite der Geschichte der Justizanstalt. 

Die Arbeit von Ramesch Daha ergänzt die zahlreichen künstlerischen Interventionen und Gestaltungen am Gelände der Donau-Universität um eine wichtige historische Komponente. Seit 2005 werden in und um die universitären Gebäude Kunstprojekte realisiert. U.a. von Iris Andraschek und Hubert Lobnig, Heinz Gappmayr, Katharina Grosse und Christian Schwarzwald.