"Sag du es deinem Kinde - Nationalsozialismus in der eigenen Familie". Buchpräsentation

Buch- und Projektpräsentation am Donnerstag, den 02. Februar 2017 um 19:00 Uhr in der Academy Bar, Franz-Josefstraße 4 in Salzburg.
Vortragender: Friedemann Derschmidt,
Gastgeber: Thomas Neuhold,
Veranstalter: KZ-Verband
Wann

02.02.2017 von 18:00 bis 20:00 (CET / UTC100)

Bundesland

Salzburg

Wo

salzburg

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"Sag Du es Deinem Kinde - Nationalsozialismus in der eigenen Familie"
von Friedemann Derschmidt

Friedemann Derschmidt beschäftigt sich mit der Frage, wie die nationalsozialistische Ideologie bewusst oder unbewusst über Generationen in den Familien weitergetragen wird und wie weit der "Geist des Vergangenen" nachwirkt. In ironischer Reaktion auf die "rassenhygienischen Vererbungstheorien" seines Urgroßvaters, dem namhaften Eugeniker Univ. Prof. Dr. Heinrich Reichel (Graz, Wien), stellt Derschmidt die Frage nach einer "ideologischen Vererbungslehre". Der Autor versucht unter Einbeziehung aller mitbetroffenen lebenden Verwandten, Möglichkeiten zu finden und Methoden zu schaffen, mit den problematischen politischen Verstrickungen der eigenen Familie vor, im und nach dem Nationalsozialismus umzugehen.

Für das dem Buch zugrunde liegende Projekt "Reichel komplex" ist es von großer Wichtigkeit zu verstehen, dass die Nazis nicht wie eine Horde Wahnsinniger aus dem Nichts kamen und wieder darin verschwanden. Sie waren auch keine von außen auftauchenden „Anderen“, sondern kamen aus der Mitte der Gesellschaft: Die eigenen Väter und Mütter, Großeltern, Tanten und Onkel waren „die Nazis“. Wenn man einen Schritt zurücktut und mit diesem größeren Blickwinkel auch das 19. Jahrhundert mitbetrachtet, kann man am konkreten Beispiel dieser bürgerlichen Großfamilie gut aufzeigen, wie sich die vielen, oft sehr unseligen Wechselwirkungen zwischen Nationalismus, Jugendbewegung, Alpinismus, Turnbewegung, Burschenschaft, Erneuerungs- und Reinheitsfantasien und allem voran moderner Wissenschaft (Stichwort Eugenik) usw. ergeben haben müssen. Die spezifische Familie Derschmidts ist diesbezüglich alles andere als besonders einzigartig. Das Projekt „Reichel komplex“ kann vielmehr als Modell für viele österreichische, deutsche und andere europäische Familien dienen, die in den Holocaust verwickelt waren.

Seit 2013 arbeitet Derschmidt mit Shimon Lev zusammen, der in seiner künstlerischen Arbeit die Auswirkungen der Shoa auf seine Familie in der Gegenwart thematisiert. Im gemeinsamen Projekt "Two Family Archives" werden beide Projekte miteinander in Beziehung gebracht und ein vorsichtiger Dialog versucht. Das im Buch vorgestellte Projekt stellt eine neue Methode vor, die kollektive und die private Erinnerungskultur der eigenen Familie in einer "Zeit nach den Zeitzeugen" mit aktuellen Fragen von Identität, Haltung und Gesellschaft abzugleichen. Gerade die jüngsten Entwicklungen nicht nur in Österreich sondern in ganz Europa und darüber hinaus zeigen, wie aktuell und wie brennend diese Frage ist. Erinnern ist immer Arbeiten gegen das Vergessen!


Mit weiteren Beiträgen von
Robert und Brigitte Brown, Bernhard, Eckhart und Wiltrud Derschmidt, Wolfgang Freidl, Mathilde Furtenbach, Ambros Gruber, Anton und Irmgard Jiresch, Shimon Lev, Herbert W. Rabl, Margit Reiter, Klaus Schönberger, Agnes Suda, Luise und Simon Wascher sowie Dietmar Weixler.