Gedenkstätte Steinhof

Der Krieg gegen die "Minderwertigen": Zur Geschichte der NS-Medizinverbrechen in Wien

Eine Ausstellung des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes

Otto Wagner Spital, V-Gebäude, Baumgartner Höhe, 1140 Wien

Öffnungszeiten

Mittwoch bis Freitag (werktags) 10 bis 17 Uhr
Samstag (auch an Feiertagen) 14 bis 18 Uhr

Freier Eintritt

Kontakt | Anmeldung für Führungen (ab 5 Personen, Montag bis Freitag 10 bis 17 Uhr):
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes

Eva Kriss, office@doew.at  | T: +43 1 22 89 469-319 (Montag bis Freitag, 8.00 bis 15.00 Uhr) - www.gedenkstaettesteinhof.at

Die Medizin übernahm im Nationalsozialismus eine neue Aufgabe: die "Ausmerzung" von als "minderwertig" qualifizierten Menschen. Für Personen mit Behinderungen oder psychischen Krankheiten, Angehörige sozialer Randgruppen und Unangepasste war in der nationalsozialistischen Volks- und Leistungsgemeinschaft kein Platz. Sie wurden verfolgt, eingesperrt und der Vernichtung preisgegeben.

Die Heil- und Pflegeanstalt "Am Steinhof" - das heutige Otto Wagner-Spital - wurde in den Jahren nach dem "Anschluss" 1938 zum Wiener Zentrum der nationalsozialistischen Tötungsmedizin, die mindestens 7500 Steinhof-PatientInnen das Leben kosten sollte:

Von 1940 bis 1945 existierte auf dem Anstaltsgelände unter der Bezeichnung "Am Spiegelgrund" eine so genannte "Kinderfachabteilung", in der rund 800 kranke oder behinderte Kinder und Jugendliche umkamen.

1940/41 wurden im Rahmen der "Aktion T4" mehr als 3200 Patientinnen und Patienten aus der Anstalt abtransportiert und im Schloss Hartheim bei Linz ermordet.

Nach dem offiziellen Stopp der "Aktion T4" im August 1941 wurde die "Euthanasie" anstaltsintern mit Hilfe gezielter Mangelernährung und systematischer Vernachlässigung fortgesetzt. Über 3500 PatientInnen fielen Hunger und Infektionen zum Opfer.

Sterbliche Überreste von Opfern der Anstalt "Am Spiegelgrund" wurden bis in die 1980er-Jahre für Forschungszwecke verwertet. Erst im Jahr 2002 erfolgte deren Bestattung in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof. Weitere Spiegelgrund-Präparate sowie sterbliche Überreste von Opfern der "dezentralen Euthanasie" am Steinhof wurden im Mai 2012 bestattet.

Ausgehend von den Geschehnissen auf dem Gelände der Anstalt Steinhof bietet die Ausstellung im V-Gebäude des Otto Wagner-Spitales, die auch vollständig auf der Website zugänglich ist, einen umfassenden Überblick über Hintergründe und Folgen der NS-Medizinverbrechen in Wien. Seit Mai 2012 sind in der Gedenkstätte und auf der Website Auszüge aus Videointerviews mit Überlebenden des Spiegelgrunds und verschiedener anderer Institutionen der Jugendfürsorge zu sehen.

 

 

Zielgruppe

  • Unterstufen, Hauptschulen (4./5. Klasse, 13-/14-/15-jährige)
    Bei dieser Zielgruppe ist in der Regel kein oder nur ein rudimentäres Wissen über die Zeit des Nationalsozialismus vorhanden, da dieses im Unterricht oft erst später behandelt wird. Hier ist eine sinnvolle didaktische Umsetzung nur durch eine Führung gegeben, um die Schüler und Schülerinnen in die Thematik einzuführen. Darüber hinaus bekommen sie einen kurzen Überblick über die wichtigsten Ereignisse und Eckdaten der Geschichte des Nationalsozialismus. Nur mit diesem Hintergrund ist es möglich, dieser Zielgruppe die Vorfälle in der so genannten Kinderfachabteilung „Am Spiegelgrund“ näher zu bringen.
    Einer der Themenbereiche an denen gearbeitet wird, ist die nationalsozialistische „Kosten-Nutzen-Rechnung“, die im Zusammenhang mit der Ermordung gemacht wurde. In dieser Altersgruppe behandeln wir den Schulalltag, Jugend im Nationalsozialismus, die so genannte Asozialenverfolgung und den Holocaust.
  • Oberstufen (16-/17- bis 19-jährige)
    Hier geht es v.a. um die Vermittlung von historischem Wissen. Anhand der Geschichte der Euthanasie („Aktion T4“, wilde Euthanasie, dezentrale Anstaltstötungen) sollen Strukturen, Ideologie und Eingriffe in das Leben der Menschen durch den Nationalsozialismus begreifbar gemacht werden. Bei naturwissenschaftlichen Schulzweigen wird der Einstieg ins Thema über die nationalsozialistischen Konzepte der Biologie („positive und negative Eugenik“), gemacht.
    Es soll eine Reflexion der Begrifflichkeiten angeregt werden – Begriffe wie z.B. „schwererziehbar“, „asozial“, „soziale Randgruppen“, „krank“, „gesund“, „normal“, „abnormal“ sollen historisch durchleuchtet und damit der eigene Sprachgebrauch sensibilisiert werden.
    Dabei verwenden wir Materialien, kopierte Dokumente wie z.B. die „Anordnung der Gauleitung Wien der NSDAP über Maßnahmen gegen Asoziale und der Errichtung einer Arbeitserziehungsanstalt…“), einschlägige Schulbücher, Hartheimer-Statistik, Propaganda-Schaubilder und Propaganda-Schriften (Völkischer Beobachter, NS-Schulungsunterlagen, Texte zur „Rassenkunde“).
  • Berufsschulen für Pflegeberufe, Kurse für Pflege-Berufe
    Bei dieser Gruppe geht es vor allem um die Aufgaben von Medizin und Psychiatrie (Erb- und Rassenpflege) im Nationalsozialismus. Der paradigmatische Wechsel in der Krankenpflege und Medizin, vom „Heilen und Pflegen“ zum „Sichten und Vernichten“ wird herausgearbeitet.
    Die Ausbildung von Krankenschwestern und Krankenpflegern im Nationalsozialismus war zur Gänze rassenpolitischen und kriegswirtschaftlichen Überlegungen unterworfen. Widerstand gegen die Massentötungen von so genannten „Erbkranken“ war nahezu unmöglich, und trotzdem musste die „Aktion T4“ wegen des starken Widerstandes auch durch das Pflegepersonal gestoppt werden.
    Über die Beschäftigung mit der NS-Medizin lassen sich die derzeit gültigen medizinethischen Standards hinterfragen und diskutieren. Am Begriff Euthanasie entzünden sich dabei oft spannende Diskussionen, die gerade für Schüler und Schülerinnen von Pflegeberufen einen sehr starken „Praxisbezug“ haben.
    Begriffe und Diagnosen wie „Erbkrankheit“, „Geisteskrankheit“, „Idiotie“, „erbbiologisch- und rassisch minderwertig“ werden hinterfragt und auf ihre heutige Gültigkeit überprüft.
  • Sozialakademien
    Bei dieser Zielgruppe liegt der zu vermittelnde Schwerpunkt auf der Funktion der FürsorgerInnen bei der Erfassung der als „asozial“ kategorisierten Menschen. Thema ist die „Biologisierung des Sozialen“.
    Die Kinder- und Jugendfürsorge war nach dem „Anschluß“ streng nach nationalsozialistischen Grundsätzen ausgerichtet. Gesundheitsämter und Einrichtungen der öffentlichen Fürsorge waren unmittelbar verantwortlich für Durchführung der „Erb- und Rassenbiologischen Bestandsaufnahme“. Im Rahmen dieser Maßnahme wurden bis 1943 ca. 700.000 Wiener und Wienerinnen erfasst.

Bei allen anderen Gruppen nehmen wir bei den Führungen jeweils auf die speziellen Interessen und Bedürfnisse der Gruppen Rücksicht.

Unterlagen

Neben der Website (http://gedenkstaettesteinhof.at) gibt es zum Thema eine Reihe von Publikationen, die in der Bibliothek des DÖW eingesehen werden können.

Trägerinstitutionen

Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW).
Psychiatrisches Krankenhaus der Stadt Wien – Otto Wagner-Spital (OWS).

Angestellter Mitarbeiter zur Betreuung der Gedenkstätte: Wolfgang Lamsa.
MitarbeiterInnen: Überlebende und Zeitzeugen u.a. Friedrich Zawrel, Johann Gross, Rudolf Karger.
Ehrenamtliche Mitarbeiter: Patienten des OWS.

Seid Januar 2004 wird die Ausstellung von Mitgliedern des Vereins Gedenkdienst mitbetreut.

Betreuungsangebot

Für Führungen und Zeitzeugengespräche ist eine telefonische Anmeldung erforderlich.

Zeitzeugengespräche und Lesungen:

Für interessierte Gruppen stehen uns zwei Zeitzeugen zur Verfügung:

  • Friedrich Zawrel – ein Überlebender – war als Kind und Jugendlicher unter anderem in der Kinderfachabteilung „Am Spiegelgrund“. Er berichtet über seine Erlebnisse. Dauer, mit Führung durch die Ausstellung: ca. 3 Stunden.
  • Johann Gross war als Kind und Jugendlicher in der Erziehungsanstalt am Spiegelgrund. Er liest aus seinem Buch „Spiegelgrund. Leben in NS-Erziehungsanstalten.“ Dauer, mit Führung durch die Ausstellung: ca. 2 Stunden.

Bei diesen Gesprächen sind immer wieder weitere Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zugegen. Diese Begegnungen sind oft von einer beeindruckenden emotionalen Dichte. Die Erlebnisse der Zeitzeugen und Zeitzeuginnen stoßen auf ein starkes Interesse und sind eine ideale Ergänzung zum Schulunterricht.

Das Angebot der Ausstellung/Gedenkstätte stößt auf ein sehr starkes Echo. Die Zeitzeugen sind mit der ständig steigenden Nachfrage nach Zeitzeugengesprächen fast überfordert. Seit diesem Schuljahr veranstalten wir die Zeitzeugengespräche nun im Jugendstiltheater, das bis zu 400 Sitzplätze hat. So müssen sich Friedrich Zawrel und Johann Gross nicht mehr wöchentlich in das V-Gebäude des Otto Wagner-Spital bemühen.

Bei gutem Wetter haben wir in den vergangenen Monaten erstmals Führungen durch das Gelände des Otto Wagner-Spitals angeboten. So war es möglich, anhand der einzelnen Gebäude und der damit verbundenen Geschehnisse über die NS-Medizin in Wien zu berichten.

Die Nachfrage nach Führungen, Zeitzeugengesprächen und Workshops steigt weiterhin, je bekannter die Gedenkstätte wird, desto höher das Interesse. Im laufenden Schuljahr werden die bestehenden Angebote ausgebaut, wenn sich die räumliche Situation im Otto Wagner-Spital noch verbessert und wir einen weiteren Raum dazu bekommen, werden wir auch ganztägige Workshops anbieten.

Links:

https://www.doew.at/erkennen/ausstellung/gedenkstaette-steinhof

Link zum Informationsblatt: https://www.doew.at/cms/download/elqms/03-informationsblatt-steinhof2-1.pdf