150 BerufsschülerInnen treffen „Die Namenlosen“ – Vermittlungsprojekt zur Nesterval Theaterproduktion „Der Rosa Winkel. Die Geschichte der Namenlosen“
Wie werden Feind- und Fremdbilder konstruiert? Was bedeutete der Rosa Winkel? Warum ist Erinnerungsarbeit wichtig? Diese und viele andere Fragen wurden im Rahmen des Vermittlungsprojekts zur Nesterval Theaterproduktion „Der Rosa Winkel. Die Geschichte der Namenlosen“ im Frühjahr 2024 mit 150 BerufsschülerInnen diskutiert. Das immersive Theaterstück und das begleitende Vermittlungsprojekt thematisierte die Verfolgung und Ermordung von Homosexuellen während der Zeit des Nationalsozialismus. Neben der historischen Dimension wurde auch auf die Situation jener Menschen aufmerksam gemacht, die aktuell unter homophoben Angriffen und Hassverbrechen leiden – und dies aus Scham, aufgrund bisheriger Erfahrungen oder wegen der politischen Situation verschweigen.
Zum Start näherten sich die Jugendlichen mit HistorikerInnen von „QWIEN - Zentrum für queere Geschichte“ und Nesterval-PerformerInnen dem Thema an und wurden mit der Form des immersiven Theaters vertraut gemacht. Anschließend besuchten die SchülerInnen eine Vorstellung von „Der Rosa Winkel“ im brut Wien und wurden aktiv in die aus 172 Szenen bestehende Produktion einbezogen. Im dritten Teil trafen die Jugendlichen erneut auf die PerformerInnen und diskutierten bei einer Blick hinter die Kulissen-Führung mit den PerformerInnen über ihre Erfahrungen.
Das Vermittlungsangebot eignete sich hervorragend für eine vertiefende Projektarbeit in den Unterrichtsfächern Politische Bildung sowie Deutsch und Kommunikation. Die BerufsschülerInnen lernten über eine bisher wenig beachtete Opfergruppe des Nationalsozialismus. Sie setzten sich mit dem NS-Verfolgungsapparat – mit dem Fokus auf Kriminalpolizei und Justiz – auseinander und analysierten und bewerteten Kontinuitäten der Verfolgung nach 1945. Durch die Förderung eines kritischen Geschichtsbewusstseins gelang es auch zu erkennen, wie Fremd- und Feinbilder konstruiert wurden und immer noch werden und wie man dafür sensibilisiert wird.
Positives Feedback aller Beteiligten
Das Feedback aller am Projekt Beteiligten – SchülerInnen und LehrerInnen bis hin zu den PerformerInnen und HistorikerInnen – fiel ausschließlich positiv aus. Die Workshops, die in das Thema der NS-Verfolgung einführten, wurden von den SchülerInnen sehr gut angenommen. Die Jugendlichen erkannten, dass die Biografien, die sie anhand von bereitgestelltem Unterrichtsmaterial ausarbeiteten, nicht einfach Biografien von bereits verstorbenen bzw. ermordeten Menschen waren, sondern, dass die Umstände, warum diese Menschen verfolgt wurden, auch heute noch aktuell sind.
Die SchülerInnen waren auch von der Einführung in den Bereich des Immersiven Theaters sehr begeistert und es zeigte sich, dass sie – obwohl viele von ihnen noch nie im Theater waren – sich sehr auf den Theaterbesuch freuten und sehr neugierig auf den weiteren Verlauf des Projekts waren. Durch die Struktur der Inszenierung – die von der Logik ähnlich wie ein Computerspiel aufgebaut ist und man sich frei entscheidet welchem Erzählstrang bzw. welchem Charakter man folgt – fanden die Jugendlichen sehr schnell einen Zugang zum Inhalt des Stücks.
Stimmen von beteiligten LehrerInnen und SchülerInnen
„Die Produktion hat die SchülerInnen dazu animiert, Demokratie als lebhaften Prozess zu verstehen, der ohne sie und ihr zu tun nicht möglich ist. Der beabsichtigte Lern- und Erfahrungseffekt zum Thema Nationalsozialismus und der Verfolgung von Homosexuellen wurde definitiv erzielt und darüber hinaus noch sehr viel interessantes Wissen um Schauspielerei, Ausstattung der Sets und des Sich-Aneignens von Charakteren erworben.“ Birgit Lackner, BS Embelgasse
„Ich habe das Stück insgesamt 4 Mal besucht, 3 Mal davon war ich an der Abendkassa, in der Hoffnung Restkarten zu bekommen. Ich finde dieses Stück sollte jeder gesehen haben. Es war ein unvergleichbares Erlebnis.“ Anna
„Die ganze Geschichte war sehr traurig, weil ich persönlich so was Ähnliches erlebt habe.“ Ayesha
„Ein einzigartiges interaktives Theater, das ich sofort wieder besuchen würde.“ Sarah
„Viele Charaktere – jede Geschichte anders. Man lernt viele unterschiedliche Schicksale von Menschen kennen, die auf wahren Begebenheiten basieren.“ Anna
Das Unterrichtsmaterial „Als homosexuell verfolgt im Nationalsozialismus“
Das Unterrichtsmaterial „Als homosexuell verfolgt im Nationalsozialismus“, das im Projekt zum Einsatz kam, entstand in einer Kooperation zwischen QWIEN und ERINNERN:AT. Ziel war, erstmals Lernmaterialien zu entwickeln, mit denen Pädagoginnen und Pädagogen eine lange Zeit vergessene und unterrepräsentierte Opfergruppe des NS-Regimes im Unterricht behandeln können: die als homosexuell Verfolgten während der NS-Zeit. Die Lernmaterialien basieren auf elf Lebensgeschichten von Menschen aus allen neun Bundesländern, die in der NS-Zeit als homosexuell verfolgt wurden, sowie der Geschichte eines Täters, der in Wien maßgeblich für deren Verfolgung und Verhaftung verantwortlich war. Sie ermöglichen eine niederschwellige Bearbeitung im Unterricht. Die biografischen Skizzen reichen vom Leben vor 1938 über die Verfolgung (und Ermordung) bis zum Leben nach 1945. Auch der (späten) Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen widmet sich das Lernmaterial: Zum Lernmaterial
Weitere Unterrichtsmaterialien und Informationen zur NS-Verfolgung Homosexueller in Österreich finden Sie auf der entsprechenden Themenseite von ERINNERN:AT: Themenseite zur NS-Verfolgung Homosexueller