Kriegsende und Befreiung in Kärnten/Koroška

Der Artikel gibt einen Überblick über die Ereignisse rund um das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Befreiung vom NS-Regime in Kärnten/Koroška. Zudem verweist er auf eine Ausstellung im kärnten.museum mit dem Titel "HINSCHAUEN! POGLEJMO. Kärnten und der Nationalsozialismus. Koroška in nacionalsocializem" (Laufzeit 8. Mai bis 26. Oktober 2025). Ausstellungseröffnung und Eröffnung "Erinnerungsjahr 2025 Leto spominjanja" am 8. Mai um 18 Uhr im kärnten.museum.

Ein Beitrag von Nadja Danglmaier

Kriegsende und Befreiung in Kärnten/Koroška 

In den letzten Kriegsmonaten, Anfang 1945, prägte der Krieg den Alltag in Kärnten. Fliegeralarme standen an der Tagesordnung, Männer zwischen 16 und 60 Jahren waren mobilisiert worden und die gesamte Bevölkerung war angehalten, ihren Beitrag zum totalen Krieg zu leisten. Die Nationalsozialisten bemühten sich weiterhin Stärke und Überlegenheit zu demonstrieren, die Menschen sollten an den baldigen Sieg des Deutschen Reiches glauben. Dafür appellierte die politische Elite an das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Opferbereitschaft der KärntnerInnen, so etwa Gauleiter Friedrich Rainer über Radioansprachen.[i]

 

Mai 1945 in Kärnten/Koroška

In den ersten Maitagen 1945 überschlugen sich die Ereignisse in Kärnten: Eine eilends gebildete provisorische Landesregierung forderte Gauleiter Rainer am 6. Mai zum Rücktritt auf. Tags darauf tankte dieser ab und flüchtete in ein Versteck in Oberkärnten.[ii] Unterstützt von Partisan:inneneinheiten und befreiten Häftlingen der Konzentrationslager am Loibl-Pass trafen jugoslawische und britische Truppen zeitgleich am 8. Mai in Klagenfurt ein. Die Mehrheit der deutschsprachigen Kärntner:innen bevorzugte die britischen Besatzer, antislawische Gefühle saßen tief und viele hatten Angst vor einem Anschluss Kärntens an Jugoslawien.[iii] Viele Kärntner Slowen:innen und Unterstützer:innen des Partisan:innenwiderstands hingegen waren enttäuscht, als klar wurde, dass die jugoslawische Armee Kärnten bis zum 25. Mai verlassen musste.

In die kurze Zeit von etwa zwei Wochen, in denen die jugoslawische Armee neben der britischen offiziell anerkannte Besatzungsmacht in Kärnten war, fallen Ereignisse, die bis heute viel diskutiert werden: Die jugoslawische Armee verhaftete zirka 350 Kärntner Frauen und Männer, 96 blieben vermisst. Sie wurden ohne Gerichtsverfahren ermordet.[iv] Viele von ihnen waren NS-Funktionäre und wären somit Fälle für die österreichische Justiz gewesen.[v]

 

Die britische Militärregierung löste die provisorische Landesregierung ab und sah sich mit vielen Schwierigkeiten konfrontiert, darunter Wohnungsnot nach dem Bombenkrieg, zerstörte Infrastruktur, Lebensmittelknappheit, Displaced Persons, körperlich und psychisch versehrte Kriegsheimkehrer und flüchtende Einheiten.[vi] In den Tagen rund um das Kriegsende kam es in Kärnten zu schweren Gefechten zwischen jugoslawischer Armee und Deutschen Einheiten und ihren Kollaborateuren.[vii] Verschiedene Gruppierungen, die auf der Seite der Nationalsozialisten gekämpft hatten, wollten in Kärnten in britische Kriegsgefangenschaft kommen, denn sie befürchteten die Rache der jugoslawischen Armee. Die Alliierten schickten ausländische NS-Kollaborateure jedoch zurück, für tausende ein Todesurteil, ohne Prozess wurden sie von jugoslawische Einheiten ermordet und in Massengräbern verscharrt.[viii]

 

Die Rückkehr der deportierten Kärntner SlowenInnen

Inmitten dieser Turbulenzen und vielfältigen Probleme gab es in Kärnten kaum Raum für Anerkennung oder Mitgefühl für die Verfolgten des NS-Regimes, welche die Befreiung überlebt hatten. Als am 17. Juli 1945 ein Transport mit 400 zurückkehrenden deportierten Kärntner SlowenInnen in Villach ankam, gestaltete sich die von ihnen lang ersehnte Heimkehr schwierig: sie sollten wieder nach Deutschland zurückgeschickt werden und konnten dies nur mit einem Sitzstreik auf den Gleisen verhindern. Als sie endlich auf ihre Höfe zurückkehren konnten, folgte für viele der nächste Schock, denn ihre Häuser waren leergeräumt und in desolatem Zustand, Vieh und Futtermittel fehlten und die anderen DorfbewohnerInnen standen ihnen teilweise feindselig gegenüber und freuten sich nicht über ihre Rückkehr.[ix] Die Stimmung in der deutschsprachigen Bevölkerung war mehrheitlich slowenenfeindlich, die zwangsweise Ausgesiedelten, darunter viele KZ-Häftlinge, wurden als Drückeberger beschimpft, die vom schwierigen Kriegsalltag in Kärnten verschont geblieben wären. An die Vertreibung von Haus und Hof wollte sich die Mehrheitsgesellschaft nicht erinnern, ihr Leid in den Lagern nicht anerkennen.

 

In den Nachkriegsjahren entstand in Kärnten ein „Selbstbefreiungs-Mythos“ über das Kriegsende. Mittels Widerstand hätten die KärntnerInnen selbst die Befreiung herbeigeführt, heißt es in dieser Version der Geschichte, die sich hartnäckig über Jahrzehnte halten konnte. Doch bis auf den PartisanInnenwiderstand, der in der Wissenschaft als der effizienteste und am längsten andauernde tatsächlich bewaffnete Widerstand auf österreichischem Boden gegen das NS-Regime bewertet wird[x], sowie einige kleine Widerstandsgruppen, verhielt sich die Mehrheit der Kärntner Bevölkerung angepasst und der Nationalsozialismus blieb bis in die letzten Kriegstage unangefochten.

 

Ausstellungstipp:

Im kärnten.museum in Klagenfurt wird von 9. Mai bis 26. Oktober 2025 eine Ausstellung mit dem Titel HINSCHAUEN! POGLEJMO. Kärnten und der Nationalsozialismus. Koroška in nacionalsocializem gezeigt. Ausgehend von bislang wenig beleuchteten historischen Ereignissen, wie z.B. die Beteiligung der KärntnerInnen am Holocaust, Wehrmachtserinnerung versus partisanischen Widerstand, Bevölkerungsverschiebungen in der Region, Landnahme/Besetzung von Slowenien und Oberitalien und Wissenschaft, die dem Regime zuarbeiteten, wird nach dem späteren Umgang mit der Gewaltpolitik gefragt und der Status quo des Erinnerns heute gezeigt. Ein künstlerischer Ausstellungsteil zeigt Positionen verschiedener KünstlerInnen zum Thema. 

Ausstellungseröffnung und Eröffnung Erinnerungsjahr 2025 Leto spominjanja am 8. Mai um 18 Uhr im kärnten.museum. Herzlich eingeladen!


[i] August Walzl: Kärnten 1945 – Vom NS-Regime zur Besatzungsherrschaft im Alpen-Adria-Raum. 1985, S. 98.

[ii] Peter Pirker: Widerstand und Volksgemeinschaft im deutschsprachigen Teil Kärntens. In: Brigitte Entner / Augustin Malle / Valentin Sima (Hg.): Widerstand gegen Faschismus und Nationalsozialismus im Alpen-Adria-Raum. 2011, S. 97-116.

[iii] Wilhelm Wadl: Das Jahr 1945 in Kärnten. Ein Überblick. 1985, S. 33-38.

[iv] The National Archives (TNA), Kew, Foreign Office (OF) 371/51.243, HQ MGO Kärnten an MG Branch HQ BTA, 08.10.1945; Österreichische Staatsarchiv (ÖStA), Archiv der Republik (AdR), Bundesministerium für Inneres (BMI), 68.969-2/52. Amtliche Darstellung der Verschleppungen von Zivilpersonen aus Kärnten im Jahre 1945.

[v] Alfred Elste / Michael Koschat / Paul Strohmaier: Opfer, Täter, Denunzianten. 2007, S. 59-60.

[vi] Wilhelm Wadl: Das Jahr 1945 in Kärnten. Ein Überblick. 1985, S. 88-101. 

[vii] Wilhelm Wadl: Das Jahr 1945 in Kärnten. Ein Überblick. 1985, S. 38.

[viii] Tina Bahovec: Der Zweite Weltkrieg im Alpen-Adria-Raum. In: Andreas Moritsch (Hg.): Alpen-Adria. Zur Geschichte einer Region. 2001, S. 453-469.

[ix] Helena Verdel: Die Vertreibung der Kärntner Slowenen. In: Helena Verdel (Hg.): Erzählte Geschichte der Kärntner Slowenen. 1990, S. 149-150.

[x] Wolfgang Neugebauer: Der österreichische Widerstand 1938-1945. In: Brigitte Entner / Augustin Malle / Valentin Sima (Hg.): Widerstand gegen Faschismus und Nationalsozialismus im Alpen-Adria-Raum / Odpor proti fašizmu in nacizmu v alpsko-jadranskem prostoru. 2011, S. 158-175.

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