Das Jahr 1945 in Oberösterreich – 80 Jahre Kriegsende. Befreiung. Neuanfang?
Endphase des Krieges und Befreiung
Die letzten Monate vor der Befreiung vom Nationalsozialismus waren in Oberösterreich von Bombenkrieg, Massendeportationen in das KZ-System Mauthausen und zahlreichen nationalsozialistischen Endphaseverbrechen gekennzeichnet.
Bombenkrieg
Am 21. April 1945 griffen US-Bomber den strategisch wichtigen Bahnknotenpunkt Attnang-Puchheim an. Die Menschen wurden zu spät alarmiert und suchten erst Schutz, als schon die ersten Bomben fielen. Über 700 Menschen starben an diesem Tag. Attnang-Puchheim war, gemessen an der Einwohnerzahl, der von Bombenangriffen am stärksten betroffene Ort in ganz Österreich. In Oberdonau kosteten die Bombenangriffe insgesamt etwa 3.000 Menschen das Leben, mehr als die Hälfte davon in Linz. Mindestens 16 abgesprungene alliierte Flieger fielen Lynchmorden zum Opfer.
NS-Verbrechen in der Endphase
In der Nacht vom 1. auf den 2. Februar 1945 brachen über 500 sowjetische Offiziere, die zur Ermordung ins KZ Mauthausen eingewiesen worden waren, aus dem Block 20 aus. Etwa 400 Häftlinge flohen – entkräftet, in dünner Kleidung, oft barfuß – durch das winterliche Mühlviertel. Die SS rief zur „Hasenjagd“ auf. SS-Männer, Einheiten von Wehrmacht und SA, Gendarmerie, Volkssturm und Hitler-Jugend beteiligten sich an der Menschenhatz. Bereits wenige Tage nach dem Ausbruch waren fast alle Geflüchteten getötet. Volkssturmangehörige mordeten dabei aus eigener Initiative, manche andere, Einheimische ebenso wie Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen, halfen den Geflüchteten mit Nahrung und Bekleidung. Die Familien Langthaler und Mascherbauer verbargen Geflüchtete auf ihren Bauernhöfen in Schwertberg bis zur Befreiung, in Gallneukirchen versorgten zwei Familien wochenlang einige Häftlinge. Nur wenige sowjetische Offiziere überlebten die „Mühlviertler Hasenjagd“ – acht sind namentlich bekannt.
1944/45 wurden noch zehntausende Menschen verschiedener Nationalität, oft aus anderen Lagern, in das KZ-System Mauthausen-Gusen deportiert. Anfang 1945 brach die Versorgung zusammen. Zum Teil wurden nur mehr die Toten ausgeladen und die Lebenden in Außenlager weitergeleitet, vor allem nach Ebensee.
Etwa 20.000 ungarische Juden und Jüdinnen aus den Arbeitslagern am „Südostwall“ trafen nach Todesmärschen im April 1945 in Mauthausen ein. Kurz danach mussten sie sich über Enns, St. Florian, Ansfelden, Pucking, Weißkirchen, Thalheim und Wels in das Auffanglager Gunskirchen weiterschleppen. Tausende starben auf dem Weg an Schwäche oder wurden von den Wachmannschaften erschossen. Wenn Augenzeugen den erschöpften Häftlingen Nahrungsmittel zusteckten, wurden sie oft von den Wachen bedroht. Dennoch gelang es in Einzelfällen Helfern und Helferinnen, Leben zu retten. Im Lager Gunskirchen ging das Massensterben bis zur Befreiung am 5. Mai 1945 weiter.
Auch in der Schlussphase setzte die SS die gezielten Morde in den Lagern fort. Im April 1945 wurden in Gusen kranke Häftlinge mit Gas erstickt oder erschlagen, in Mauthausen hunderte geschwächte Menschen aus dem Sanitätslager in der Gaskammer getötet.
Widerstand und Kriegsende
Zwar konnte der Widerstand das NS-Regime nicht erschüttern, Österreich wurde nicht von innen, sondern von den Alliierten befreit. Aber er bezeugt die mutige Auflehnung mancher Menschen gegen den Nationalsozialismus.
Im Herbst 1944 wurden in Oberdonau 158 Männer und Frauen der „Welser Gruppe“ – so die Bezeichnung durch die Gestapo – verhaftet. Diese Widerstandsorganisation verzweigte sich über Teile Oberösterreichs und über die führenden Kommunisten hinaus in andere politischen Lager. Frauen aus der „Welser Gruppe“ wurden in das Linzer Frauengefängnis Kaplanhof gebracht. Ende März 1945 trafen US-amerikanische Bomben die Gefängnisbaracke Kaplanhof, etwa 100 der 160 inhaftierten Frauen, Widerstandskämpferinnen und Zwangsarbeiterinnen verschiedener Nationalität, starben. Die meisten Männer der „Welser Gruppe“ kamen direkt ins KZ Mauthausen und wurden zum Großteil im Steinbruch ermordet. Ende April 1945 gab Gauleiter August Eigruber den Befehl, die im KZ Mauthausen noch lebenden Mitglieder der „Welser Gruppe“ zu töten, „damit die Alliierten in den Alpengauen keine aufbauwilligen Kräfte vorfinden“. 33 oberösterreichische Widerstandskämpfer starben mit zehn anderen Häftlingen am 28. April 1945 in der Gaskammer von Mauthausen.
In den Bergen des Salzkammerguts legten kommunistische Widerstandskämpfer und Deserteure ein Versteck an, den „Igel“, der bis zum Schluss unentdeckt blieb. Frauen aus dem umliegenden Ortschaften kümmerten sich um die Versorgung mit Informationen und Lebensmitteln. Aus dem Gefängnis geflüchtete kommunistische Steyrer Widerstandskämpfer wurden rund um Steyr bis zum Kriegsende von Sympathisierenden versteckt.
Gegen Dutzende Männer und Frauen der überparteilichen Widerstandsgruppe „Neues freies Österreich“ im Raum Freistadt ergingen Todesurteile. Am 1. Mai 1945 erschoss ein Hinrichtungskommando aus Hitler-Jungen in Treffling 13 Männer und Frauen, unter ihnen acht Mitglieder der Freistädter Gruppe.
Ein kleines Widerstandsnetzwerk im Hausruckviertel betrieb die friedliche Übergabe von Orten an die einrückende US Armee, in Enns und in Wels sorgten Gruppen von Offizieren und Unteroffizieren der Wehrmacht für die kampflose Übergabe der Kasernen.
Der Terror der letzten Kriegswochen
In den letzten Kriegswochen herrschte der blanke Terror gegen alle, die nicht gewillt waren, weiterzukämpfen. Am 30. März 1945 wurde in Oberdonau das Standrecht verhängt. Als in Peilstein im Mühlviertel einige Gemeindebürger Ende April Panzersperren zu beseitigen versuchten, ließ sie Gauleiter August Eigruber, ein fanatischer Nationalsozialist bis zuletzt, standrechtlich erschießen. In Weyer im Ennstal befand sich ein Feldstandgericht der Wehrmacht. Alleine am 13. April 1945 wurden mindestens 32 Soldaten erschossen. Bis Kriegsende waren es noch viele mehr.
Wie auch Ernst Kaltenbrunner, nach Heinrich Himmler oberster Chef von SS und Polizei, flüchtete sich Gauleiter Eigruber wenige Tage vor Kriegsende in die oberösterreichischen Berge. Völlig realitätsfern plante er im Salzkammergut die Errichtung einer Art Mini-Alpenfestung. Beide wurden schließlich von den US-Amerikanern entdeckt und verhaftet.
Die Befreiung der Konzentrationslager und das Kriegsende
Am 2. und 3. Mai 1945 verließ die SS das KZ Mauthausen-Gusen und übergab die Bewachung der Wiener Feuerwehr. Das internationale Häftlingskomitee übernahm die Organisation des Lagerlebens. Am 5. Mai 1945 befreiten Einheiten der 11. Division der 3. US-Armee kampflos die Lager Mauthausen, Gusen, Linz, Steyr und Gunskirchen. Am 6. Mai 1945 erreichten die Befreier auch Ebensee.
In den oberösterreichischen Lagern fanden die US-Amerikaner tausende Tote vor. Unzählige Häftlinge waren bis zum Skelett abgemagert und krank, so dass viele noch nach der Befreiung starben. Von den etwa 190.000 Menschen, die die SS von 1938 bis 1945 in das Lagernetz Mauthausen verschleppte, kam etwa die Hälfte ums Leben. Die Überlebenden verließen die Lager in den Wochen und Monaten nach der Befreiung.
Nachdem in manchen Orten des Mühlviertels SS-Einheiten noch bis zuletzt erbittert gegen die amerikanischen Soldaten gekämpft hatten, unterzeichnete Generaloberst Lothar Rendulic am 7. Mai 1945 die Kapitulation der Heeresgruppe „Ostmark“.
Besatzung und politischer Neubeginn
Von der Einrichtung der Besatzungszonen, vom politischen Neubeginn, von den Lebensverhältnissen im „Flüchtlingsland“ und „Barackenland“ Oberösterreich, von der juristischen Verfolgung der Verbrechen und der halbherzigen Entnazifizierung erzählt das Kapitel "Von der NS-Vergangenheit zur Gegenwart" aus dem ERINNERN:AT-Sachbuch „Nationalsozialismus in Oberösterreich“ von Christian Angerer und Maria Ecker.
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Vertiefungsangebot: Jugendsachbuch
Die Bände der Jugendsachbuchreihe „Nationalsozialismus in Österreich“ behandeln auf dem neuesten Forschungsstand die wesentlichen Themen zum Nationalsozialismus in den einzelnen Bundesländern. Jedes Buch setzt sich dabei auch mit dem Thema Kriegsende und Befreiung auseinander. Neben den geschichtlichen Ereignissen spiegeln die Bücher anhand von Kurzbiografien exemplarisch die Handlungsweisen von Menschen sowie Konsequenzen der Geschichte für den/die Einzelne/n wider.
Das Kapitel "Von der NS-Vergangenheit zur Gegenwart" aus dem Jugendsachbuch „Nationalsozialismus in Oberösterreich“ stellen wir Ihnen hier zum Jahresschwerpunkt kostenlos zur Verfügung: Download