Neuerscheinung: Heimo Halbrainer. Todesurteile. Vergessene Verbrechen der NS-Justiz in der Steiermark.

Eine neue Buchpublikation untersucht die Geschichte der NS-Gerichte sowie aller Todesurteile, die von ihnen gefällt wurden, ebenso wie den Umgang mit den Verbrechen der NS-Justiz in der Steiermark nach der Befreiung 1945.

Bei seinem Besuch in der Steiermark erklärte der Staatssekretär für Justiz Dr. Josef Gerö Anfang Juni 1945, dass nun die Justiz gesäubert werde und NS-Verbrecher, darunter auch Richter und Staatsanwälte wegen der von ihnen begangenen Rechtsbrüche, „strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden würden, wofür bereits ein Gesetzesentwurf in nächster Zeit herauskommen werde.“ Mit dem Gesetzesentwurf meinte Gerö das im Juni 1945 beschlossene Kriegsverbrechergesetz. Im Ministerrat erklärte Leopold Figl anlässlich der Beratung zu diesem Gesetz, „dass die Herrn Nationalsozialisten die Gesetze, die sie für das unterdrückte, versklavte Volk geschaffen haben, in ihrer Härte selbst am eigenen Leibe spüren sollen.“ 

Die Nationalsozialisten hatten eine Vielzahl an Sondergesetzen zur Bekämpfung der politischen GegnerInnen wie auch zur Durchsetzung ihrer ordnungspolitischen Vorstellungen sowie zur „Ausrottung“ rückfällig gewordener StraftäterInnen und sonstiger TäterInnen, die gegen „das gesunde Volksempfinden“ verstoßen haben, geschaffen, um diese aus der „Volksgemeinschaft“ auszuscheiden. Dabei wurden oft kleinste Abweichungen und Vergehen mit den härtesten Strafen verfolgt – so etwa mit der Todesstrafe für das Abhören ausländischer Radiosendungen, kleinen Diebstählen und Betrügereien.

Die Nationalsozialisten hatten zwecks Ahndung dieser „Verbrechen“ eine Reihe von Sondergerichten geschaffen. So tagten in der Steiermark mit der 1941 angegliederten Untersteiermark der Volksgerichtshof, die Hoch- und Landesverratssenate am Oberlandesgericht, das Sondergericht Graz, das Sondergericht Leoben, die Strafkammer Marburg, den Sondergerichtshof für politische Straftaten in Marburg und das Standgericht Graz. In nur 65 Monaten verhängten diese NS-Gerichte über 280 Todesurteile, über die nach 1945 genauso der Mantel des Schweigens gebreitet wurde, wie über die an diesen Gerichten tätigen NS-Richter und Staatsanwälte.

Ließ die Ankündigung des Staatssekretärs für Justiz Dr. Josef Gerö im Juni 1945 nämlich noch erwarten, dass – auch mit dem von der Regierung geschaffenen Gesetz zur Ahndung der NS-Verbrechen – die „Blutrichter“ zur Verantwortung gezogen werden würden und die österreichische Justiz mit der NS-Justiz abrechnen würde, so sah wenige Jahre später die justizielle Aufarbeitung ganz anders aus. Kein einziger Richter wurde wegen seiner Beteiligung an den Todesurteilen in der Steiermark bzw. Untersteiermark je zur Rechenschaft gezogen; auch jene nicht, die nachweislich an Todesurteilen an all diesen Sondergerichten mitgewirkt hatten. Die nach der Befreiung 1945 vom Dienst suspendierten NS-Richter wurden vielmehr nach einer kurzen Suspendierung bald wieder in den Dienst genommen, wobei ihnen, wie auch jenen, die in Pension gingen, die Jahre ihrer Tätigkeit an den Sondergerichten zwischen 1938 und 1945 auf die Vorrückung bzw. die Pension angerechnet wurden.

Neuerscheinung:

Heimo Halbrainer: Todesurteile. Vergessene Verbrechen der NS-Justiz in der Steiermark. 280 S. geb (ISBN 978-3-902542-97-7), Euro 29,00