Kriegsende und Befreiung in Wien
Ein Beitrag von Daniela Lackner & Antonia Winsauer
Von März bis April 1945 ging der Zweite Weltkrieg in Wien in seinen letzten Akt. Die Befreiung Wiens war gekennzeichnet von militärischen Angriffen, schweren Kampfhandlungen, medialer Propaganda und einer Verdichtung der Gewalt gegen Verfolgte des NS-Regimes und Menschen, die Widerstand leisteten.
Luftangriff der US-Streitkräfte im März 1945
Am 12. März kam es mit über 600 Flugzeugen der US-amerikanischen Armee zu einem letzten schweren Luftangriff auf Wien. Nach der Bombardierung der Rüstungsbetriebe in Floridsdorf drehten die Flugzeuge aus unbekannten Gründen ab und bombardierten unkontrolliert die Wiener Innenstadt. Dort trafen sie vor allem zahlreiche Gebäude am Ring wie das Parlament, das Burgtheater, das Kunsthistorische Museum, die Staatsoper sowie die Gestapo-Leitstelle am Morzinplatz schwer. Bombardiert wurde auch das Amtsgebäude des „Ältestenrats der Juden in Wien“ in der Seitenstettengasse, das obere der beiden Kellergeschoße verschüttet. Dieses hatte den wenigen in Wien noch tolerierten Jüdinnen und Juden Schutz geboten. 19 Menschen kamen dabei ums Leben, insgesamt starben mehrere Hundert Menschen während dieses Bombenangriffs.
Am 22. März, 10 Tage später, wurden fünf sich im Wiener Luftraum befindende amerikanische Flugzeuge abgeschossen, über 30 daraufhin mit Fallschirmen in Wien gelandete US-Flieger durch die Stadt getrieben und zwei davon getötet.
Die Rote Armee nähert sich: Wien wird Verteidigungsbereich
Nach dem Überschreiten der (heutigen) österreichischen Staatsgrenze am 23. März im burgenländischen Klostermarienberg, 90 Kilometer südlich von Wien, erreichten die sowjetischen Truppen in den Folgetagen schnell Wiener Neustadt und Baden bei Wien.
Bereits am 2. April wurde Wien zum Verteidigungsbereich erklärt und beinah zeitgleich war es von der Roten Armee eingekesselt. Diese war den deutschen Einheiten, bestehend aus Wehrmacht, „Volkssturm“, minderjährigen Jugendlichen aus der HJ, die noch in den letzten Tagen mobilisiert worden waren, sowie einigen Verbänden der SS, deutlich überlegen. Trotz der Aussichtslosigkeit, der Befreiungsoffensive standzuhalten, wurde der Kampf auf Anordnung der nationalsozialistischen Führung bis zur letzten Konsequenz geführt.
Die Schlacht um Wien
Der Angriff der sowjetischen Truppen auf Wien begann am 6. April ausgehend von Süden und von Westen. Zu den ersten schweren Kampfhandlungen auf Wiener Stadtgebiet kam es in Simmering und im Arsenal, und nur wenige Tage später erreichten die heftigen Gefechte bereits den Wiener Gürtel. Dies löste ein Zurückziehen von SS und Wehrmacht über den Donaukanal aus, das mit Brückensprengungen einherging. Auch die Feuerwehr hatte auf Befehl des Gauleiters Baldur von Schirach gleich zu Beginn des sowjetischen Angriffs die Stadt verlassen – Brände wurden von da an kaum mehr gelöscht.
Die Lage der Bevölkerung verschlechterte sich in dieser Zeit dramatisch: Ab dem 7. April war die Stromversorgung in Wien gänzlich unterbrochen, auch die Gas- und Wasserversorgung brachen ab, Fluchtwege wurden abgeschnitten. Die Zivilbevölkerung flüchtete, sofern möglich, in Keller, um dort das Ende der Kampfhandlungen abzuwarten. Am 11. April überquerten die sowjetischen Truppen schließlich den Donaukanal und befreiten zunächst die Bezirke Brigittenau und Leopoldstadt. Die erbarmungslosen Kämpfe dauerten noch zwei weitere Tage an, bis am 13. April die Schlacht um Wien nach sieben Tagen ein Ende nahm. Fast 40.000 ZivilistInnen und Soldaten verloren in dieser Woche ihr Leben.
Widerstand, Standrecht und Exekutionen in den letzten Kriegstagen
Wien kampflos zu übergeben war erklärtes Ziel des politischen und militärischen Widerstandes. Es kam zur Kooperation der RegimegegnerInnen aller politischen Richtungen mit der Widerstandsgruppe rund um Carl Szokoll und Ferdinand Käs. Diese Gruppe versuchte - die sowjetischen Truppen hatten Anfang April gerade Wiener Neustadt erreicht- im Rahmen der „Operation Radetzky“ Kontakt mit der Roten Armee aufzunehmen, flog aber durch einen Verrat auf. Am 9. April wurden Karl Biedermann, Alfred Huth und Rudolf Raschke, drei Mitglieder der Widerstandsgruppe, standrechtlich zum Tode verurteilt und am Floridsdorfer Spitz hingerichtet.
Die verdichtete Gewalt in den letzten Kriegsmonaten richtete sich auch gegen widerständige Einzelpersonen. Ein Beispiel dafür ist Heinrich Maier, der Kaplan der Wiener Pfarre Gersthof, der am 22. März 1945 als letzter Widerstandkämpfer am Wiener Landesgericht hingerichtet wurde. Maier hatte mit US-Agenten kollaboriert und Flugblätter gegen das NS-Regime verteilt. An diesem Tag wurden neben ihm noch 17 andere Inhaftierte im Landesgericht ermordet.
In anderen schrecklichen Gewaltexzessen wurden von Angehörigen der SS während der Befreiung in und außerhalb von Wien noch „Endphaseverbrechen“ begangen, welche das auch während des Zusammenbruchs des NS-Regimes zutiefst antisemitische Gedankengut der Nationalsozialisten zeigen. Am 11. April wurden neun jüdische EinwohnerInnen Wiens, darunter Dr. Nelly Blum, Kurt Mezei und Grete Klüger-Langer von einer in einem Nachbarhaus untergebrachten SS-Einheit im Zuge einer Personenkontrolle aus dem Keller des Wohnhauses Förstergasse 7 geholt und durch Genickschüsse ermordet. Wenige Stunden später erreichte die Rote Armee die Leopoldstadt.
Erbitterter Kampf auch in den Medien
Massive Propaganda und Desinformation prägten in den ersten Apriltagen immer noch die Presse: Am 6. April 1945 schrieb die „Kleine Wiener Kriegszeitung“: „Durchbruch auf Wien gescheitert.“ Stattdessen richtete das Blatt in dieser Ausgabe den Fokus auf Banalitäten, wie die Fallgeschwindigkeit von Regentropfen bei einem Gewitter. Ab März 1945 waren keine Traueranzeigen von Hinterbliebenen gefallener Soldaten mehr gedruckt worden. Sie waren in der Berichterstattung ab diesem Zeitpunkt nur mehr den „Heldentod“ gestorben. Gauleiter Baldur von Schirach und SS-General Sepp Dietrich spielten am 2. April in völlig betrunkenem Zustand Propagandareden im Radiofunkhaus in der Argentinierstraße ein, die trotz ihrer grotesk anmutenden Inhalte sofort ausgesendet wurden.
Kriegsende in Wien
Auch nach Beendigung der Schlacht um die Stadt am 13. April 1945 musste die Bevölkerung ohne Wasser, Strom und Gas auskommen. Viele Teile der Stadt lagen in Trümmern, Lebensmittel wurden geplündert. Zwar herrschte Erleichterung über das Kriegsende und die Befreiung von dem NS-Regime, allerdings standen die Menschen auch vor einer ungewissen Zukunft, und vor allem Frauen waren mit gewalttätigen und sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungen durch sowjetische Soldaten, aber auch durch Vertreter der Zivilbevölkerung, konfrontiert.
Weiterführende Literatur:
Dieter A. Binder/Georg Hoffmann/Monika Sommer/Heidemarie Uhl (Hg.), 41 Tage. Kriegsende 1945 –Verdichtung der Gewalt. 41 Days. End of the War 1945 – Culmination of Violence. Ausstellung zu den letzten Wochen des NS-Terrors in Österreich. Mit Fotografien von Stefan Oláh, Wien 2016.
Elisabeth Czerniak/Johannes Glack: Endphaseverbrechen in Österreich. Eine vergessene Verbrechenskategorie, in: Alpendistel. Magazin für antifaschistische Gedenkkultur 6 (2025), 33-36.
Martin Krist/Albert Lichtblau, Nationalsozialismus in Wien. Opfer-Täter-Gegner, Innsbruck/Wien/Bozen 2017, 351-370 (siehe PDF anbei).
Michael Schmölzer, Die Befreiung Wiens. April 1945. Gespräche mit Überlebenden, Wien 2020.
Evelyn Steinthaler, Wien 1945, Wien 2015.
Weiterführende Links:
https://hdgoe.at/category/1945
https://hdgoe.at/zwischen_den_zeiten_1945
https://www.mediathek.at/onlineausstellungen/staatsvertrag/besatzung/befreiung-und-besetzung
https://www.doew.at/erinnern/fotos-und-dokumente/1938-1945/schlaglichter/terror-und-befreiung-die-letzten-wochen-des-ns-regimes-in-oesterreich
https://sammlung.wienmuseum.at/alben/ew75x85kqnxgcwred-der-krieg-und-die-stadt-zur-befreiung-wiens-im-april-1945/
Für den Unterricht:
Auf dem Vermittlungsportal der Digitalen Erinnerungslandschaft Österreichs (DERLA) befindet sich ab Frühjahr 2025 auch ein Vermittlungskonzept zu Endphaseverbrechen in Wien am Beispiel des Massakers in der Förstergasse: www.erinnerungslandschaft.at
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Vertiefungsangebot: Jugendsachbuch
Die Bände der Jugendsachbuchreihe „Nationalsozialismus in Österreich“ behandeln auf dem neuesten Forschungsstand die wesentlichen Themen zum Nationalsozialismus in den einzelnen Bundesländern. Jedes Buch setzt sich dabei auch mit dem Thema Kriegsende und Befreiung auseinander. Neben den geschichtlichen Ereignissen spiegeln die Bücher anhand von Kurzbiografien exemplarisch die Handlungsweisen von Menschen sowie Konsequenzen der Geschichte für den/die Einzelne/n wider.
Das Kapitel zum Kriegsende aus dem Jugendsachbuch „Nationalsozialismus in Wien stellen wir Ihnen hier zum Jahresschwerpunkt kostenlos zur Verfügung: Download