Fachtexte und Literaturempfehlungen

Um sich noch weiter mit dem Thema antisemitismuskritische Bildungsarbeit auseinanderzusetzen stehen Pädagoginnen und Pädagogen hier Fachtexte sowie Literaturempfehlungen zur Verfügung.

Fachtexte

Chernivsky, Marina: Antisemitismus an der Schule entgegenwirken – Lernen am sicheren Ort


In: Die Hoffnung. Bildungs- und Begegnungsstätte für Jüdische Geschichte und Kultur Sachsen (Hrsg.): Medaon – Magazin für jüdisches Leben in Forschung und Bildung 13. Dresden 2019

Dieser Beitrag behandelt antisemitische Vorfälle von der unbeabsichtigten Reproduktion antisemitischer Stereotype bis zu gezielten verbalen oder tätlichen Angriffen. Dabei wird eine Topografie des Antisemitismus in der Schule vorgestellt: Antisemitismus als Ausdruck der Befremdung und (historischen) Distanz, als Ausdruck tradierter Stereotype, als Ausdruck der Vergangenheitsabwehr, als Ausdruck antisemitischer Verschwörungsmythen sowie als Antisemitismus im Kontext des Nahostkonfliktes. Eine weitere Klassifikation beschreibt den Kontext: Vorfälle mit klassischer antisemitischer Semantik, mit Bezügen zu Nationalsozialismus und Shoah oder mit einem antiisraelischen Bezug. Chernivsky sieht die Möglichkeiten für eine Prävention durch Geschichtsaneignung als beschränkt an und formuliert folgende Herausforderungen: Historisierung, Tabuisierung, Distanzierung (bzw. Externalisierung), Vermeidung der Thematisierung und das brüchige Wissen.

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Eckmann, Monique / Kößler, Gottfried: Diskussionspapier. Pädagogische Auseinandersetzung mit aktuellen Formen des Antisemitismus. Qualitätsmerkmale und Spannungsfelder mit Schwerpunkt auf israelbezogenem und sekundärem Antisemitismus


Deutsches Jugendinstitut. Genf u. Frankfurt a. M. 2020

Eine kompakte und vielschichtige Sammlung relevanter Grundlagen und Fragestellungen. Der erste Teil des Textes behandelt pädagogische Eckpunkte bezüglich antisemitismuskritischer Bildungsarbeit und geht dabei auf Zielsetzungen und Grenzen sowie auf Grundsätze bzw. die Philosophie des pädagogischen Handelns ein, auf Rahmenbedingungen sowie das notwendige inhaltlich-methodische Hintergrund-Wissen (speziell zu Antisemitismus und Nahostkonflikt). Der zweite Teil definiert Qualitätsmerkmale antisemitismuskritischer Bildungsarbeit in der themenspezifischen, pädagogischen, ethischen, methodischen und selbstreflexiven Dimension. Der dritte Teil bespricht Spannungsfelder wie Mehrheits- und Minderheitsperspektiven, Antisemitismus und Rassismus, Antisemitismus unter MuslimInnen, Nahostkonflikt sowie offene Kontroversen zur pädagogischen Methodik.

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Embacher, Helga im Interview mit ERINNERN:AT: „Streitfall israelbezogener Antisemitismus"


In: ERINNERN:AT: Jahresbericht 2021, Bregenz 2022, S. 20-22


Helga Embacher ist Zeithistorikerin am Fachbereich Geschichte an der Universität Salzburg. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Themen Nationalsozialismus, jüdische Geschichte, Emigration,
Israel und Naher Osten sowie Antisemitismus. Lange Forschungsaufenthalte führten sie bisher nach Israel, die USA, Großbritannien und Shanghai. Im Interview mit Axel Schacht geht Helga Embacher auf verschiedene Positionen und Fragestellungen zur Definition von israelbezogenem Antisemitismus ein; wie lässt sich berechtigte Kritik an Israel von Antisemitismus unterscheiden? Ebenso thematisiert sie den gesellschaftlichen und pädagogischen Umgang mit isrealbezogenem Antisemitismus sowie Ziele antisemitismuskritischer Bildungsarbeit.

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Fischer, Ruth / Holler, Malte: Begegnungsansätze. Anerkennung durch Kennenlernen? 


In: Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus: Anders Denken. Die Onlineplattform für Antisemitismuskritik und Bildungsarbeit. Berlin

Das Material beschäftigt sich mit Chancen und Problematiken von begegnungspädagogischen Ansätzen, die auf Konzepte der „interkulturellen Pädagogik“ zurückgehen und zum Abbau von Vorurteilen und Stereotypen durch reale Erfahrung beitragen wollen. Mit gewünschtem und geförderten Perspektivenwechsel und dem Dialog als dem wohl wichtigsten Faktor einer Begegnung sind ein ehrlicher Austausch, Anerkennungsmomente und sogar Solidarisierungseffekte möglich. Ein Problem liegt in der impliziten Beibehaltung einer Differenzkonstruktion und der mehr auf „die Anderen“ fokussierten Auseinandersetzung, denn auf selbstkritische Reflexion des Eigenen. Selbst durch unreflektierte Rollenerwartung kann es eher zu einer Verfestigung von Klischees kommen. So sind Begegnungen weder immer geeignete Interventionsmaßnahme, sie sind kein Garant für den Abbau von Vorurteilen und müssen im pädagogischen Setting gut vorbereitet und begleitet werden.

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Holler, Malte: Antisemitische Verschwörungsideologien


In: Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus: Anders Denken. Die Onlineplattform für Antisemitismuskritik und Bildungsarbeit. Berlin

Durch den Text zieht sich die Suche nach Motiven und sozial-psychologischen Erklärungen, wie die Suche nach geistigem Halt und Sinnstiftung, die Unsicherheit, weil traditionelle Deutungsmuster nicht mehr zu greifen scheinen oder der Wunsch nach einer reduzierten und die Komplexität ausweichenden Deutung. Holler differenziert beschreibend Verschwörungstheorien, Verschwörungsideologien und Verschwörungsmentalität als unterschiedliche Ausprägungen und kommt zur folgenden Definition: „Viele Verschwörungstheorien beruhen auf der Vorstellung, im Geheimen agierende überlegene Mächte würden mittels weitreichender Manipulationen einen umfassenden Plan zur Errichtung oder Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft verfolgen.“

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Kaddor, Lamya: Gegen Opferkonkurrenz. Was muslimische Jugendliche über die deutsche Geschichte wissen sollten


In: Konrad-Adenauer-Stiftung (Hrsg.): Die Politische Meinung, Nr. 551. Berlin 2018, S. 63-67


Kaddor fordert, statt auf „muslimisch“ auf familiäre Herkunft zu fokussieren, da Einstellungen zu Jüdinnen und Juden, Israel und dem Holocaust unter MuslimInnen weniger in der Religion begründet sind, sondern mehr mit der politischen Situation in den Herkunftsstaaten der Familien zu tun haben. Kaddor fordert eine Abkehr von verfehlter Holocaust-Erziehung: „Solche Ansätze schrecken Schüler mit Migrationshintergrund mitunter ab, weil sie sich angesichts eigener Diskriminierungserfahrungen in der deutschen Gesellschaft eher selbst als Opfer sehen.“ Es bedarf einer Suche nach Relevanz für die eigene Biografie: „Es geht um ein emotionales Begreifen, losgelöst von Schuldfragen.“ Ziel ist das Ausschalten der „Opferkonkurrenzen“ und des Eurozentrismus in Geschichtsschreibung und -vermittlung.

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Mendel, Meron: Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Herausforderungen antisemitismuskritischer Bildungsarbeit


In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hg): Aus Politik und Zeitgeschichte 26-27. Bonn 2020, S. 36-41

Ausgehend vom öffentlichen Umgang mit Antisemitismus (Empörung, Relativierung, Codierung, Umwegartikulation) diskutiert Mendel Fallstricke der Arbeit gegen Antisemitismus. Als Hindernisse gelten sowohl die geglaubte erfolgreiche „Vergangenheitsbewältigung“ und die Externalisierung bzw. Zuschreibung zu bestimmten Gruppen genauso wie die Orientierung bei der Deutung und auch bei der Art und Weise der Reaktion und pädagogischen Intervention an der Herkunftsfrage. Somit kommt es in der pädagogischen Praxis auch zu einer Verfestigung anstatt der Dekonstruktion des Antisemitismus. Denn der Wunsch alleine, nicht antisemitisch zu sein reicht nicht aus. „Die Erfahrung in der antisemitismuskritischen Bildungsarbeit zeigt, dass die Zielgruppe der pädagogischen Intervention deshalb nicht nur Jugendliche, sondern auch Pädagoginnen und Pädagogen sein müssen. Der Umgang mit „den Anderen“ ist dabei ein wichtiger Aspekt.“

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Messerschmidt, Astrid: Gegenwartsbeziehungen. Erinnerungsbildung auf der Suche nach zeitgemäßen Perspektiven


In: Fritz Bauer Institut (Hrsg.): Einsicht 04. Holocaust, jüdische Geschichte und Gegenwart. Pädagogische Annäherungen. Frankfurt am Main 2010, S. 16-21

Astrid Messerschmidt spricht sich gegen eine Belehrungshaltung und moralisierende Überwältigung aus, die nur für eine Selbstbestätigung der moralischen Überlegenheit funktionalisiert wird. „Für die Erinnerungsarbeit heißt das, den Umgang mit dem Nationalsozialismus nicht zu einer Angelegenheit nationaler Zugehörigkeit zu machen.“ Sie stellt die Forderung, der Opferfixierung das Bild eines lebendigen Judentums entgegenzusetzen, die Geschichte in Ambivalenzen wahrzunehmen, die Heterogenität von Geschichtsbezügen ernst zu nehmen, Handlungsmöglichkeiten der Subjekte zu thematisieren und zur Analyse und Kritik nationaler Selbstbilder und nationalistischer politischer Praktiken beizutragen. Dies bedeutet auch Erfahrungen von Diskriminierungen und Ausgrenzungen wie auch den Willen zur Zugehörigkeit nicht zu übergehen und in dieser „gebrochenen Zugehörigkeit“ auch Diskontinuitäten von Geschichte zu erkennen.

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Stender, WolframAspekte antisemitismuskritischer Bildungsarbeit


In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hg):
www.bpb.de, 2017

Antisemitismuskritische Bildungsarbeit hat in Deutschland eine lange Tradition – und doch scheint kaum etwas schwieriger zu sein, als über Antisemitismus aufzuklären, meint der Soziologe Wolfram Stender. Er erklärt, was eine aktuelle, antisemitismuskritische Bildungsarbeit für ihn ausmacht. Dabei geht er auf die Spezifik des modernen Antisemitismus ein, fordert die Reflexion des eigenen Involviertseins sowie die Einbeziehung von Perspektive(n) von Jüdinnen und Juden und setzt sich mit dem Zusammenhang von Identitäts- und Differenzprojektionen auseinander.

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Ullrich, PeterÜber Antisemitismus sprechen – Essay


In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hg): Aus Politik und Zeitgeschichte 26-27. Bonn 2020, S. 36-41

Ullrich skizziert spezifische diskursive Dynamiken in der Debatte um die Erinnerung(skultur) an den NS-Antisemitismus und die Shoah sowie die Definition von Antisemitismus und die Verquickung beider Debatten mit jener um den Nahen Osten. Es geht also um den „Nahostkonflikt zweiter Ordnung“, einen israelbezogenen Antisemitismus und die BDS-Kampagne. Erschwert wird die Diskussion durch radikale Identifikation, Unklarheit in Positionen und Forderungen sowie Stigmatisierung und Vorverurteilung der jeweils Anderen. „Durch diese Entwicklungen werden Diskursräume geschlossen, wo Ambivalenzen anerkannt, ausgehalten und diskutiert werden müssten [...]“ Wenig hilfreich erachtet Ullrich eine Arbeitsdefinition zu Antisemitismus, wie der IHRA, die aus seiner Sicht wissenschaftliche Schwächen aufweist, oftmals unklar oder gar tendenziös formuliert ist und politisch instrumentalisiert wird.

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Wetzel, Juliane: Antisemitische Verschwörungstheorien


In: Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit: Themenforum Antisemitismus. München 2020

Sehr detaillierter Beitrag inklusive Beispiele aus Österreich. Wetzel diskutiert die Verschwörungstheorien als Religionsersatz sowie als Begleiterscheinung von religiösem Fundamentalismus und definiert deren Gründe: „Sie bieten einfache, monokausale Erklärungsmuster für komplizierte Sachverhalte und erfüllen soziale Funktionen bzw. befriedigen psychologische Bedürfnisse.“ Nach einer Betrachtung vom Zusammenhang von Fiktion und Wirklichkeit wird ausführlich auf antisemitisch konnotierte Verschwörungsmythen bzw. deren Konnex zu antisemitischen Topoi eingegangen, wie „weltumspannenden“, „geheim“ oder „machtvoll“ sowie auf Israel als neuen konkreten Bezugspunkt. Die Mythen werden historisch hergeleitet, durch viele Beispiele erläutert sowie Kontinuitäten („Protokolle der Weisen von Zion“) sowie Veränderungen (die Verschiebung des Codes „Rothschild“ zu „George Soros“) nachgezeichnet.

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Weitere Literaturempfehlungen

  • Bernstein, Julia/Grimm, Marc/Müller, Stefan (Hg.): Schule als Spiegel der Gesellschaft. Antisemitismus erkennen und handeln, Frankfurt am Main 2022: Link

  • Broden, Anne/ Hößl, Stefan E./Meier Marcus (Hg.): Antisemitismus, Rassismus und das Lernen aus Geschichte(n), Weinheim 2017: Link

  • Grimm, Marc/Müller, Stefan (Hg.): Bildung gegen Antisemitismus. Spannungsfelder der Aufklärung, Frankfurt am Main 2022: Link

  • Mendel, Meron/Messerschmidt, Astrid (Hg.): Fragiler Konsens. Antisemitismuskritische Bildung in der Migrationsgesellschaft, Frankfurt am Main 2017: Link 

  • Niehoff, Mirko (Hg.): Nahostkonflikt kontrovers. Perspektiven für die politische Bildung, Frankfurt am Main 2016: Link

  • Kumar, Victoria/Dreier, Werner/Gautschi, Peter/Riedweg, Nicole/Sauer, Linda/Sigel, Robert (Hg.): Antisemitismen – Sondierungen im Bildungsbereich, Frankfurt am Main 2022: Link

Veröffentlicht am 21.08.2025, zuletzt geändert 21.08.2025