Politische und rechtliche Rahmenbedingungen der Prävention von Antisemitismus durch Bildung
Am 17. März 2015 wurde die Pariser Erklärung der Bildungsminister der Mitgliedstaaten der Europäischen Union verabschiedet. Sie enthielt Maßnahmen zur Stärkung der Rolle der Bildung bei der „Förderung der Bürgerschaft und der gemeinsamen Werte von Freiheit, Toleranz und Nicht-Diskriminierung“.
Drei Jahre später, am 6. Dezember 2018, folgte die unter österreichischem EU-Ratsvorsitz angenommene „Erklärung des Rates der Europäischen Union zur Bekämpfung von Antisemitismus und zur Entwicklung eines gemeinsamen Sicherheitskonzepts für einen besseren Schutz jüdischer Gemeinschaften und Einrichtungen in Europa“.
Dieser Erklärung folgend legte die EU-Kommission im Oktober 2021 die „Strategie zur Bekämpfung von Antisemitismus und zur Förderung jüdischen Lebens“ vor. Sie sieht die Umsetzung von nationalen Strategien durch die EU-Mitgliedstaaten vor und stellt Mittel zur Unterstützung für diese und weitere Maßnahmen und Projekte in Aussicht. Im Bereich Bildung und Schule sollen Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von Reformen im Umgang mit Diskriminierung und Antisemitismus in Schulen gestärkt werden. Mitgliedstaaten sind dazu aufgefordert, antisemitische Vorfälle in Schulen zu melden und zu dokumentieren sowie Lehrkräfte und Schulleitungen im Umgang mit diesen zu qualifizieren.
Bereits vor der Veröffentlichung der EU-Strategie verabschiedete die österreichische Bundesregierung im Jänner 2021 eine Nationale Strategie mit dem Ziel, „Antisemitismus in allen seinen Formen einzudämmen und Bewusstsein für das Erkennen von alltäglichem Antisemitismus zu schaffen“.
Zwischen 2021 und 2024 wurden Maßnahmen in sechs strategischen Säulen umgesetzt, eine davon im Bereich Bildung, Ausbildung und Forschung Diese konzentrierten sich unter anderem auf die Professionalisierung der Aus- und Weiterbildung von Pädagoginnen und Pädagogen, die Überarbeitung von Unterrichtsmaterialien sowie den professionellen Umgang mit antisemitischen Vorfällen.
Seit 2024 liegt ein Umsetzungsbericht sowie eine Gesamtevaluierung der Nationalen Strategie vor, außerdem wurde nachträglich ein eigenes Maßnahmenpaket zum Online Antisemitismus erstellt. Neben Erklärungen und Strategien bilden Gesetze einen rechtlichen Rahmen für die Auseinandersetzung mit Antisemitismus im österreichischen Bildungssystem. Dazu zählen zum Beispiel diverse Gesetze zum Schutz vor Diskriminierung und vor allem Artikel 14 Abs. 5a des Bundesverfassungsgesetzes, laut dem Schulen auf den Grundwerten „Demokratie, Humanität, Solidarität, Friede und Gerechtigkeit sowie Offenheit und Toleranz gegenüber den Menschen“ basieren.
Dem folgt §2 Schul-Organisationsgesetz (SchOG) mit der Zieldefinition, Schule habe „an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen“ mitzuwirken. Der Grundsatzerlass Politische Bildung unterstreicht die Rolle von politischer Bildung unter anderem auch beim Umgang mit Antisemitismus. Dieser Erlass, ebenso wie einige internationale Richtlinien und Empfehlungen, wie beispielsweise die jeweils 2019 und 2020 von der UNESCO und der OSZE herausgegebenen Publikationen „Mit Bildungsarbeit gegen Antisemitismus. Ein Leitfaden für politische Entscheidungsträger/innen“ oder das vierteilige Handbuch „Addressing Anti-Semitism in Schools: Training Curricula“, sind maßgebliche Referenzdokumente für die Prävention von Antisemitismus durch Bildung.


Europäische Strategie zur Bekämpfung von Antisemitismus und zur Förderung jüdischen Lebens (2021 – 2030)
Die EU-Strategie ist die erster ihrer Art und wurde am 5. Oktober 2021 von der Europäischen Kommission verabschiedet. Die Strategie hat nicht nur zum Ziel Antisemitismus zu bekämpfen, sondern Jüdinnen und Juden eine positive Perspektive auf ihre Zukunft in Europa zu sichern. Die in der Strategie beschriebenen Maßnahmen zielen auf die Bekämpfung von Online Antisemitismus ebenso ab, wie auf die Förderung des Schutzes jüdischen Lebens und jüdischer Organisationen, die Erforschung von Antisemitismus und jüdischer Geschichte und die Vernetzung von Gedenkorten zur Erinnerung an den Holocaust.

Strategiepapier „Prävention von Antisemitismus durch Bildung“
Aufbauend auf den Maßnahmen der Nationalen Strategie gegen Antisemitismus hat ERINNERN:AT gemeinsam mit dem Bildungsministerium Empfehlungen für Akteurinnen und Akteure in der Bildungsverwaltung und im Bildungsmanagement verfasst, die die Handlungskompetenz von Pädagoginnen und Pädagogen im Umgang mit Antisemitismus in der Schule stärken und bessere Rahmenbedingungen für die Prävention von Antisemitismus schaffen sollen. Die konkreten Empfehlungen und Maßnahmen richten sich an politische EntscheidungsträgerInnen, Fachabteilungen des Bildungsministeriums, die Bildungsdirektionen, die Pädagogischen Hochschulen und Einrichtungen der LehrerInnenbildung an Universitäten.

Umsetzungsbericht 2023/2024 – Gesamtevaluierung Nationale Strategie gegen Antisemitismus
Im Jänner 2021 verabschiedete die österreichische Bundesregierung eine Nationale Strategie mit dem Ziel, „Antisemitismus in allen seinen Formen einzudämmen und Bewusstsein für das Erkennen von alltäglichem Antisemitismus zu schaffen“. Bis 2024 wurden 38 von 41 Maßnahmen umgesetzt und in einem Bericht beschrieben. Der OeAD war mit ERINNERN:AT in mehreren Projekten und Programmen aktiv an der Umsetzung beteiligt, etwa im Bereich der Qualifizierung von Lehrpersonen oder der Analyse von Ausbildungscurricula in den Themenfelder Holocaust und Antisemitismus.

Maßnahmenpaket Antisemitismus Online
Ergänzend zur Nationalen Strategie gegen Antisemitismus hat das Bundeskanzleramt 2024 eine eigene Strategie zur Bekämpfung von Antisemitismus im Digitalen Raum veröffentlicht. Diese hat u.a. die Stärkung der Kooperation mit Online-Plattformen, die bessere Unterstützung von Akteurinnen und Akteuren im Feld oder die Stärkung der Kompetenz von Internetnutzerinnen und Nutzern zum Ziel. Die Arbeit wir von einer Task Force Online-Antisemitismus und Desinformation begleitet, in welcher der OeAD mit seinem Programm ERINNERN:AT vertreten ist.

Addressing Anti-Semitism through Education
„Addressing Anti-Semitism through Education“ ist ein gemeinsames Strategie-Handbuch der UNESCO und ODIHR, der Menschenrechtsinstitution der OSZE, das unter Mitwirkung von ERINNERN:AT entstand. Die Publikation zeigt in fünf Kapiteln wesentliche Ansätze der Antisemitismusprävention auf und stellt good practice-Beispiele vor. Darunter befindet sich auch das Lernheft „Ein Mensch ist ein Mensch. Rassismus, Antisemitismus und sonst noch was…“ oder die Online-Toolbox „Stories that Move“. Das Handbuch richtet sich an EntscheidungsträgerInnen aber auch an PädagogInnen. LehrerInnen finden etwa im Kapitel „Addressing manifestations of Anti-Semitism in Education“ praktische Hinweise und Handlungsvorschläge.

Addressing Anti-Semitism in Schools: Training Curricula
Mit dieser vierteiligen Publikation geben ODIHR, das Menschenrechtsbüro der OSZE, und UNESCO Richtlinien für die LehrerInnenausbildung im Bereich der Prävention von Antisemitismus vor. Die einzelnen Manuals richten sich an VerantwortungsträgerInnen in der Bildungsverwaltung und im Bildungsmanagement, wie etwa AusbilderInnen in der Lehrpersonenausbildung oder SchuldirektorInnen. Das englischsprachige Handbuch widmet sich innerhalb vier verschiedener Teile den besonderen Herausforderungen der jeweiligen Schulart und der spezifischen Unterrichtssituation der auszubildenden Lehrpersonen.
