2. August: Internationaler Tag des Gedenkens an den Genozid an den Sinti und Roma

2015 wurde der 2. August vom Europäischen Parlament zum internationalen Tag des Gedenkens an den Genozid an Sinti/Sintizze und Roma/Romnija erklärt. Ende Jänner 2023 wurde dieser auch in Österreich vom Nationalrat einstimmig als nationaler Gedenktag anerkannt. Eine offizielle Gedenkfeier findet jährlich an der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau statt.

Rund 500.000 Roma/Romnija und Sinti/Sintizze wurden während des Holocaust ermordet - Opfer einer rassistischen Verfolgungspolitik deutscher und österreichischer Nationalsozialisten und ihrer faschistischen Verbündeten. Lange kam diesem Völkermord nur wenig Beachtung zu. Roma/Romnija und Sinti/Sintizze wurden in Vernichtungslagern, wie etwa in Auschwitz, getötet und fielen in Zwangsarbeits- und Konzentrationslagern der alltäglichen Gewalt, Hunger und Krankheiten zum Opfer. Viele wurden deportiert und als Zwangsarbeiter ausgebeutet, auf Bauernhöfen, auf Baustellen und in der Industrie. Roma/Romnija und Sinti/Sintizze nennen diesen Genozid „Porajmos“, was „Verschlingung“ oder „Zerstörung“ auf Romani bedeutet.

Das Europäische Parlament erklärte 2015 den 2. August zum europäischen Holocaust-Gedenktag für die Roma/Romnija und Sinti/Sintizze. Am 31. Jänner 2023 bestätigte der österreichische Nationalrat den 2. August auch als offiziellen Gedenktag in Österreich. Gleichzeitig wurde angekündigt, dass an einem zentralen Erinnerungsort für Roma und Sinti gearbeitet werde (Zur Pressemitteilung).

Die Verfolgung der österreichischen Roma/Romnija und Sinti/Sintizze

Auch österreichische Roma/Romnija und Sinti/Sintizze wurden in der Zeit des Nationalsozialismus als „Zigeuner“ bzw. als „Asoziale“ verfolgt und systematisch ermordet. Vor 1938 lebten rund 11.000 bis 12.000 Roma/Romnija und Sinti/Sintizze in Österreich, die meisten davon im Burgenland. Die nationalsozialistische Verfolgung der Roma/Romnija begann im Juli 1938 mit der Einführung der Zwangsarbeit für „Zigeuner“. Doch auch schon vor 1938 war die Gruppe der Roma/Romnija und Sinti/Sintizze massiver Diskriminierung ausgesetzt. Die österreichischen Behörden erfassten auf rassistischer Basis Roma/Romnija und Sinti/Sintizze in einer Kartei. Diese Daten dienten später den Nationalsozialisten als Ausgangspunkt für Verhaftungen und Deportationen. In Österreich errichteten die Nationalsozialisten mehrere „Zigeunerlager“, das größte davon im burgenländischen Lackenbach. Hier wurden 4000 Menschen unter unmenschlichen Umständen interniert, 273 starben im Lager selbst, viele wurden in Konzentrationslager im besetzen Polen deportiert.

Nach der Befreiung wurden die Überlebenden jahrzehntelang nicht als Opfer nationalsozialistischer Verfolgung anerkannt und erhielten nur geringe oder überhaupt keine Entschädigungszahlungen für ihren verlorenen Besitz.

Auschwitz und Chelmno als zentrale Gedenkorte

Insgesamt wurden 2900 österreichische Roma/Romnija und Sinti/Sintizze nach Auschwitz deportiert und dort im abgegrenzten „Zigeunerlager“ inhaftiert. Die Todesraten waren aufgrund der unmenschlichen Bedingungen sehr hoch, bis Ende 1943 starben 70 % der Häftlinge des „Zigeunerlagers“. Ende Juli 1944 wurden alle arbeitsfähigen Häftlinge in Konzentrationslager verlegt. In der sogenannten „Zigeunernacht“ vom 2. auf den 3. August 1944 wurden alle noch im „Zigeunerlager“ lebenden Häftlinge in den Gaskammern von Auschwitz ermordet. Dieses grausame Ereignis wurde als Gedenktag für die 500.000 weiteren Roma/Romnija und Sinti/Sintizze gewählt, die während des Nationalsozialismus aus rassistischen Motiven ermordet wurden.

1941 wurden 5007 österreichische Roma/Romnija nach Lodz deportiert. Als dort eine Epidemie ausbrach, verweigerte die nationalsozialistische Lagerleitung die Ausgabe von Medikamenten. Die noch lebenden Insassen wurden zwischen Dezember 1941 und Jänner 1942 im Vernichtungslager Chelmno ermordet. Am 3. August 2016 wurde in Chelmno ein Gedenkstein für die ermordeten österreichischen Roma/Romnija enthüllt.

Internationaler Gedenktag seit 2015

Das Europäische Parlament hat 2015 den 2. August zum europäischen Holocaust-Gedenktag für die Roma/Romnija und Sinti/Sintizze erklärt. Gleichzeitig verurteilte das Europäische Parlament „bedingungslos und unmissverständlich jede Form von Rassismus und Diskriminierung gegenüber den Roma“.

Zum Gedenktag im Jahr 2016 verfassten OSZE und IHRA eine gemeinsame Erklärung, in der sie Staaten zu entschiedenen Maßnahmen zum Erhalt von Porajmos-Gedenkstätten auffordern. Darüber hinaus zeigten sich die beiden internationalen Organisationen besorgt über den aktuellen Anstieg von Rassismus in Europa: „Die Förderung des Verständnisses des Holocausts und seiner Auswirkungen auf verschiedene Gemeinschaften kann dazu beitragen, Empathie und Nichtdiskriminierung für alle zu fördern“.

Die Europäische Kommission erinnerte 2018 mit einer Aussendung an den Genozid und machte auf die anhaltende Diskriminierung von Roma/Romnija und Sinti/Sintizze aufmerksam. „The Roma are forgotten victims of the Holocaust for many Europeans. Remembering their historical persecution reminds us of the need to tackle the challenges which they still face today and which are too often overlooked. Seven decades on, Sinti and Roma still face hatred, violence, discrimination and racism on a daily basis”, so Frans Timmermans, Vizepräsident der Europäischen Kommission und Věra Jourová, EU-Kommissarin für Justiz, in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Österreichisches Gedenken – 2. August wird 2023 zum nationalen Gedenktag

Im Jahr 1984 wurde in Lackenbach unweit vom ehemaligen „Zigeunerlager“ ein Mahnmal für die betroffenen Roma/Romnija und Sinti/Sintizze errichtet. Anlässlich des 50. Jahrestages der Errichtung des „Zigeunerlagers“ 1940 finden seit 1990 jährlich im November Gedenkfeiern beim Denkmal statt. Weitere Denkmäler, die auf die Verfolgung von Roma/Romnija und Sinti/Sintizze sowie Opfer hinweisen, befinden sich in Salzburg und einigen Gemeinden Burgenlands. Verschiedene Vereine und Initiativen wie die HochschülerInnenschaft Österreichischer Roma und Romnija ("HÖR") engagieren sich mit jährlichen Gedenkveranstaltungen und Projekten für das Gedenken an den Genozid an den Roma/Romnija und Sinti/Sintizze.

Ein großer Erfolg für die österreichische Erinnerungskultur für Roma/Romnija und Sinti/Sintizze ist die Anerkennung des „Internationalen Gedenktag für Roma und Sinti“ am 2. August. Dieser wurde am 31. Jänner 2023 einstimmig vom Nationalrat bestätigt und wird damit am 2. August 2023 das erste Mal auch in Österreich offiziell bedacht.

Fraktionsübergreifend wurde der Antrag, der von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS eingebracht worden war, begrüßt. Eine Kenntnisnahme der damaligen Taten als Verbrechen bedeute zugleich Respekt vor den Opfern und solle auch den jetzt Lebenden Mut machen. Ebenso gehe es darum, auf die nach wie vor bestehenden Diskriminierungen hinzuweisen, um die aktuelle Situation der Betroffenen zu verbessern, so Nikolaus Berlakovich (ÖVP).

Selma Yildirim (SPÖ) erinnerte in diesem Zusammenhang auch an das Attentat von Oberwart. Vom 4. auf den 5. Februar 1995 wurden vier Roma Opfer einer rassistisch und völkisch motivierten Anschlagserie. Sie kamen durch eine Rohrbombe ums Leben, auf der ein Schild mit der Aufschrift „Roma zurück nach Indien" angebracht worden war. Yidirim warnte davor, dass „uns das allen passieren kann“, wenn Menschen zum „Spielball der Alltagspolitik“ würden. Dem gelte es, entschieden und tagtäglich entgegenzuwirken. Hierfür setze der nationale Gedenktag am 2. August ein wichtiges Zeichen.

Olga Voglauer (Grüne) betonte darüber hinaus, dass es das nächste Ziel sein müsse, einen zentralen Ort des Gedenkens für Roma/Romnija und Sinti/Sintizze zu schaffen. Dazu sei bereits ein Antrag für eine nationale Gedenkstätte beschlossen worden.

Über den Genozid an den Roma und Sinti unterrichten

ERINNERN:AT bietet grundlegende Informationen für SchülerInnen und LehrerInnen über den Völkermord an den europäischen Sinti/Sintizze und Roma/Romnija und unterstützt PädagogInnen darüber hinaus mit entsprechenden Lernmaterialen. In Kooperation mit europäischen Partnerinstitutionen und der IHRA  betreut ERINNERN:AT die Lernwebsite romasintigenocide.eu. Die Website für SchülerInnen und LehrerInnen ist mittlerweile in 12 Sprachen verfügbar. Für die Behandlung des Themas innerhalb zweier kompakter Unterrichtseinheiten empfehlen wir darüber hinaus das Modul 2 unserer Lernmaterialien zur Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau und der dortigen österreichischen Länderausstellung.  

Weiterführende Informationen