Comenius Projekt „Spurensuche: NS-Verfolgung und Widerstand 1943 – 1945 in Vorarlberg, Deutschland und Italien“

Bei diesem Projekt (2003-2005) arbeiteten die „Geschwister-Scholl-Schule“ in Detmold (Nordrhein-Westfalen/Deutschland), Lehrer und Lehrerinnen des „Walther-von-der-Vogelweide-Gymnasiums“ und der Geometerschule „Peter Anich“ in Bozen das BG Dornbirn zusammen.

Die Arbeitsergebnisse liegen in Form einer rund 200 Seiten starken Broschüre und eines Modells des Polizeidurchgangslagers in Bozen vor. Besonders dieses Modell, das von den Schülern der Geometerschule in Bozen erstellt wurde, fand enormes Interesse. Zum ersten Mal wurde ein solcher Rekonstruktionsversuch unternommen. Anlässlich des 60. Jahrestags der Befreiung Italiens wurde dieses Modell am 25. April 2005 im Rahmen der Feierlichkeiten von der Gemeindeverwaltung der Öffentlichkeit präsentiert und es wird auch in einem städtischen Museum seinen endgültigen Platz finden.
Während die Geometerschüler sich der Modellerstellung widmeten, arbeiteten die Schüler und Schülerinnen des „Walther-von-der-Vogelweide-Gymnasiums“ den historischen Hintergrund heraus. Eine Besonderheit dieses Projekts war auch die Zusammenarbeit dieser beiden Südtiroler Schulen im Rahmen eines gemeinsamen Comenius-Projekts.
Die ursprüngliche Idee zu dieser länderübergreifenden historischen Forschungsarbeit hatte  die Detmolder Historikerin Dr. Ingrid Schäfer. Sie kam bei ihren Recherchen zum KZ Fossoli (in der Nähe von Carpi in Oberitalien) bzw. zum Lager Bozen vor ein paar Jahren drauf, dass der ehemalige KZ-Kommandant Thito völlig unbehelligt in der Nähe von Detmold lebte. Aus dieser Tatsache ergab sich eine intensive Auseinandersetzung mit diesem dunklen Kapitel der deutsch-italienischen Geschichte, und ein von ihr angeregtes wissenschaftliches Symposium zum Thema „KZ Fossoli/Bozen“ in Detmold führte zu einer regen öffentlichen Diskussion.
Die Verbindung zu Dornbirn ergab sich über die jüdische Familie Turteltaub. Dipl. Ing. Edmund Turteltaub lebte mit seiner Frau Gertrude seit 1930 als Kaufmann in Dornbirn. 1932 wurde der Sohn  Hans, 1935 Walter geboren. Mit der Okkupation Österreichs änderten sich für die Turteltaubs wie für alle Juden Österreichs die Lebensumstände. Die Familie wurde im „braunen Nest“ Dornbirn sogleich Zielscheibe für nationalsozialistische Rowdys: Die Stadt sollte möglichst schnell „judenrein“ werden. Schon am 11. März zogen Nazis vor das Haus in der Lustenauerstraße, in dem die Familie als Untermieter wohnte. „Henkt die Schwarzen, henkt die Juden!“ brüllten sie. Schließlich musste die Familie Turteltaub nach Wien umsiedeln. Von dort versuchte sie – wie ein anderer Teil der Großfamilie Turteltaub – ins Ausland zu flüchten. Eine Schiffspassage von Genua nach Uruguay war vorhanden, aber der Ausbruch des 2. Weltkrieges verhinderte die Abreise. 1940 wurden alle „ausländischen Juden“ – also auch die Mitglieder dieser Dornbirner Familie – in Italien interniert. Für die Turteltaubs begann eine wahre Odyssee. Über das KZ Fossoli wurde sie schließlich kurz vor Kriegsende über Bozen nach Auschwitz deportiert und dort umgebracht. In Erinnerung an diese Familie gibt es in Dornbirn seit 2003 eine „Turteltaub-Straße“, die Namen sind auf dem NS-Gedenkstein im Rathauspark eingraviert.
Die Verbindung Detmold (KZ Kommandant) – Oberitalien (Lager Fossoli/Bozen) – Dornbirn (Opfer) führte zur Anregung, dieses Comenius-Projekt in Angriff zu nehmen. Die Hauptarbeit wurde im Schuljahr 2004/2005 geleistet. Am BG Dornbirn nahmen daran die 8. b Klasse (Prof. Werner Bundschuh) und die 7. Klasse Geschichte-Wahlpflichtfach (Prof. Gertrud Leimser) teil. Neben der thematischen Arbeit profitierten die teilnehmenden Schüler und Schülerinnen besonders von den persönlichen Kontakten und vom Rahmenprogramm am jeweiligen Tagungsort: In Bozen wurde nicht nur das Lager in Bozen besichtigt, sondern ein Tagesausflug führte die Projektteilnehmer (vom BGD Felix Außerer und Oliva Le Rique in Begleitung von Prof. Bundschuh ) auch nach Fossoli und Carpi, wo sich eine äußerst beeindruckende KZ-Gedenkstätte befindet. In Detmold stand das Stalag-Lager 326 im Zentrum des Besuchprogramms: Hier wurden über 320.000 russische Kriegsgefangene durchgeschleust. Der Friedhof der sowjetischen Kriegsgefangenen zeugt von der unmenschlichen Behandlung, die sie erfahren haben. Hier befinden sich auch die Gräber der italienischen Militärinternierten, die nach dem Sturz Mussolinis hier festgehalten wurden. Das Bild eines Mussolini-Besuches im Juli 1944 stand im Zentrum der Forschungstätigkeit der Detmolder Schüler. Bei diesem Besuch nahm neben den drei bereits genannten BGD-Teilnehmern auch Fr. Prof. Gertrud Leimser teil.
Ein besonderer Schwerpunkt war an allen drei Orten die Arbeit mit Zeitzeugen. Beim vorbereitenden Besuch in Detmold war Vittore Bochetta anwesend. Der 85-jährige Professor  aus Verona stellte sein Buch „Jene fünf verdammten Jahre“ vor und diskutierte mit Schüler und Schülerinnen im Rahmen eines Zeitzeugen-Projektes über seine Erfahrungen.
Vittore Bochetta, 1918 geboren, kämpfte als junger Student in Italien gegen den Faschismus und wurde deshalb 1943 verhaftet. Über Bozen wurden er und seine Mitkämpfer ins KZ Flossenbürg und später ins Außenlager Hersbruck eingeliefert. Hier leisteten sie Sklavenarbeit. Nur zwei Mitglieder der Veroneser Widerstandsgruppe überlebten. Brochetta wanderte nach dem Krieg nach Südamerika aus. Seit 1958 arbeitete er als Maler, Bildhauer und Sprachwissenschaftler in den USA. Unter anderem lehrte er in Chicago. 1986 schrieb er seine Erinnerungen, die nunmehr ins Deutsche übersetzt wurden, auf. Bei seinem Besuch eröffnete er auch eine Ausstellung. Die gezeigten Bilder seien – so der Künstler - „ein Ventil zur Bewältigung der Ängste in der Gefangenschaft und in der Emigration.“ Sie hülfen ihm  bei der „Bewältigung der Furcht, in der Einsamkeit nicht bestehen zu können.“ Ausdrücklich begrüßte er, dass Jugendlich aus drei Ländern gemeinsam zum Thema „Widerstand und Verfolgung in der NS-Zeit“ arbeiten werden.
Beim Abschlussbesuch begleitete uns Joana Herzfeld beim Rundgang Stadtrundgang durch Detmold. Ihre Großeltern gehörten zu den Opfern der HS-Gewaltherrschaft in Detmold und sie befand sich auf persönlicher Spurensuche.
Auch die Schüler und Schülerinnen der 8. b Klasse arbeiteten mit Zeitzeugen. Am 2. Oktober 2003 fand im Publikumsstudio des ORF unter dem Motto „Nie wieder Krieg!“ im Rahmen von „Kids für Guernica“ eine Diskussionsveranstaltung statt. Martin Frontull, Raphaela Metzler und Anna Waldner (damals alle 7. b Klasse) führten mit August Weiss und Kaplan Emil Bonetti ein Gespräch zum Thema „Deserteure“. Denn beide waren - vorwiegend aus religiösen Gründen – nicht gewillt, „ihre Pflicht“ in einer für sie „verbrecherischen und ausländischen Wehrmacht“ bis zum bitteren Ende zu tun. Dafür nahmen sie auch den Tod durch die NS-Schergen in Kauf. Beide hatten Glück – gegen alle Wahrscheinlichkeit überlebten sie und stehen heute noch als „Zeitzeugen“ zur Verfügung. Auch Anna Waldner die im Rahmen ihrer Fachbereichsarbeit mit ihnen Interviews führte.
Eine besondere Schwerpunktsetzung  innerhalb des Comenius-Projekts war außerdem die Auseinandersetzung mit dem Elkan-Gedenken am BGD. Das Elkan-Projekt der 8.b Klasse wurde als eines der Siegerprojekte im Rahmen des Wettbewerbs "Kulturelles Erbe. Tradition mit Zukunft 2005“ ausgezeichnet. Das Elkan- Projekt wurde am 16. Juni 2005 von den betreuenden Professoren Klaus Luger und Werner Bundschuh im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur bei der Schlussveranstaltung präsentiert. Die Realisierung des Projektvorschlags erfolgt im November 2005.

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