Das Novemberpogrom in Wien - zwei Brüder sahen sich zum letzten Mal

1938 wurde mit dem Novemberpogrom die Vertreibung und Enteignung der jüdischen Bevölkerung durch die Nationalsozialisten radikalisiert und systematisiert. Aus diesem Anlass möchten wir Geschichten der Verfolgung aus allen Bundesländern aufzeigen und in Erinnerung halten.

27 Jüdinnen und Juden wurden in den Tagen des Novemberpogroms in Wien ermordet, 88 schwer verletzt, 6.547 verhaftet, rund 3.700 in das KZ Dachau deportiert. Zwei der während des Novemberpogroms Verhafteten waren der 24-jährige Richard Schoen und sein Bruder Leopold. Sie mussten mit anderen hunderten Inhaftierten stundenlang im Stehen warten und wussten nicht, was passieren würde. Richard Schoen berichtet, wie sein Bruder plötzlich herausschrie: „‚Was haben wir Juden angestellt? Warum müssen wir so leiden?‘ Ich stand ganz nah bei ihm und musste mich entscheiden: ‚Schweig‘. Hätte ich etwas gesagt, hätten sie mich auch herausgeholt. Ihn holten sie heraus, wie ich befürchtet habe. Ich wollte immer noch etwas sagen, vielleicht hätte ich helfen können. Aber ich wusste, du kannst das nicht tun, du würdest denselben Weg gehen. Sie würden dich umbringen. Ich fühle mich immer noch schuldig, weil ich ihm nicht helfen konnte, obwohl ich tatsächlich nicht viel helfen hätte können. Es wäre auch mein Tod gewesen.“

 

Für die Familien der im November 1938 KZ Inhaftierten begann ein Wettlauf mit der Zeit. Sie hatten noch eine Chance, die Gefangenen freizubekommen, wenn sie ihnen eine Ausreisemöglichkeit verschaffen konnten. Richard Schoen wurde ins KZ Dachau deportiert, er konnte nach seiner Freilassung nach England flüchten. Er ist der einzige Überlebende seiner Familie.