Jüdische Spuren im Gailtal - Schüler forschen

SchülerInnen des Gymansiums Hermagor beschäftigten sich in einem Projekt mit jüdischen Spuren im Gailtal und präsentierten ihre Forschungsergebnisse in einer Veranstaltung am 04.04.2008 in der Aula ihrer Schule der Öffentlichkeit.

Die Veranstaltung widmete sich den jüdischen Spuren im Gailtal, einer Marginalie in der Lokalgeschichte, zumal Juden nur zeitweise da lebten, an die die Erinnerung aber fast erloschen ist. Ihrer 70 Jahre nach dem März 1938 zu gedenken, schien geboten. Zu Opfer des Naziregimes aus rassischen Gründen wurden: 

O Der Arzt Dr. Theodor Menninger von Lerchenthal, der durch seine jüdische Mutter Opfer des absurden Rassenwahns wurde. Als Amtsarzt im März ´38 entlassen, wurde er in Magdeburg dienstverpflichtet, kam aber immer wieder zu Besuch nach Hermagor, wo seine Familie, allseits hoch geachtet,  schon in dritter Generation lebte. Er starb am 31.Juli 1944 auf der Radniger Alm im Alter von 47 Jahren an „Herzmuskelentartung und Herzschlag“. Dass es Selbstmord war, vermuteten viele. Die Mutter, Margarethe Holzmann, war ein halbes Jahr vorher nach Theresienstadt deportiert worden.

 

Der Bruder Erich Menninger-Lerchenthal wurde Neurologe und renommierter Wissenschaftler und  war Freund Wagner-Jaureggs . Wie er das Dritte Reich überlebt hat, ist nicht bekannt. (Nach 1945 wurde er  - und blieb es bis zu zu seinem Tod 1966 – Obmann der Fachgruppe Neurologie und Psychiatrie in der Wiener Ärztekammer.)

 

Vom dritten Sohn, Kurt Theodor Menninger-Lerchenthal ist am DÖW der Briefverkehr erhalten, der Auskunft über die Misshandlungen während der Gestapo-Haft sowie über die Nachkriegsschikanen beim beruflichen Fußfassen im Nachkriegs-Hermagor gibt.

 

O Alfred Braun und Arthur Glesinger, Besitzer einer Gemischtwarenhandlung in Hermagor (Hauptstraße 32), die eine von den drei Kärntner Filialen (Hermagor, Villach, Althofen) des Leobner Familiengeschäftes war, mussten ihre Geschäfte schließen, das Warenlager wurde unter großen Verlusten „ausverkauft“. Glesinger floh nach Palästina, kehrte nach dem Krieg  nach Villach zurück und begann wieder mit einem kleinen Geschäft. Von seinem Cousin Alfred Braun vermutet man, dass er sich nach England retten konnte. Seine kleine Tochter wurde in Hermagor als „Judenmadl“ beschimpft.

 

O Helene Hammerschlag, Tochter eines jüdischen Wiener Bankdirektors und spätere Frau des Nötscher Malers Sebastian Isepp musste mit der Familie (zwei Kinder) nach England fliehen. Sebastian Isepp wurde dort ein gefragter Gemälderestaurator.

 

O Jack Hamesh, der englische Besatzungssoldat, selbst als jüdisches Kind  noch mit einem der letzten Kindertransporte nach England verschickt, während die Eltern im KZ ermordet wurden, befragte im Juni 1945 die junge Ingeborg Bachmann nach der Mitgliedschaft beim BDM und stellte verwundert und erfreut fest, dass I. Bachmann die Bücher eines Thomas Mann, Stefan Zweig, Arthur Schnitzler und Hugo von Hofmannsthal gelesen hatte, Autoren, die von den Nazis verbrannt worden waren. Die Freundschaft zwischen Ingeborg Bachmann und Jack Hamesh war in  Obervellach/Hermagor eine Irritation, Mut gehörte dazu, in einem Kärntner Dorf auch nach der Niederlage des Dritten Reiches sich zu einem Juden zu bekennen, der hier wegen seiner Verhöre von Belasteten des NS-Regimes verhasst war.

 

Auch der Bahnhof Arnoldstein, Tor zur Emigration nach Palästina, hat Flüchtlingsschicksale gesehen: Ein Zug mit 750 Wiener Zionisten wurde 1938 von den italienischen Behörden nicht durchgelassen, weil das Schiff in Fiume noch nicht eingelaufen war. Während der Wartezeit wurden einige Flüchtlinge von zwei Grenzsoldaten malträtiert. Dem Treiben setzte aber der dortige Dienststellenleiter Adolf Triebnig ein Ende, indem er, obwohl selbst Vertreter des Naziregimes, beide festnehmen ließ. Triebnig wurde daher als einer der ersten Gestapo-Beamten am 13.Juli 1945  aus dem Lager Wolfsberg entlassen (cf. August Walzl: Die Juden in Kärnten und das Dritte Reich, Klagenfurt, 1987)

 

Nach diesen Beispielen folgte ein allgemeiner Überblick über die spärliche jüdische Präsenz

im Gailtal : Vom 19.Jahrhundert (Dr.Franz Weißmann und Dr. Bernhard Kramer, Distriktärzte in Kirchbach) über die erste Hälfte des 20.Jahrhunderts (im 1.Weltkrieg waren auch zahlreiche jüdische Soldaten der Habsburgermonarchie an der italienischen Front; sie alle hofften vergeblich, wegen ihres patriotischen Einsatzes, von den Nazischergen verschont zu  bleiben;) bis heute. Seit drei Jahre fallen am Nassfeld bzw. in und um Hermagor orthodoxe jüdische Urlauber auf. Das offizielle Hermagor freut sich vom Standpunkt der touristischen Quote zwar über sie, gleichzeitig aber wird angemerkt, dass „eine zu starke Konzentration zufolge der eigenen Kultur und Lebensweise dieser Gruppen vermieden werden sollte.“(!)

 

Die Einleitung der Veranstaltung war das El male Rachamim, das jüdische (Gebets-)Lied, das traditionell zur „Jahrzeit“ (=Jahrestag)  eines Toten bzw. der Shoah erklingt. Es sang Joseph Schmidt, der große Opernsänger, der als Jude letztlich selbst Opfer des Naziregimes wurde.

 

An der Lesung waren folgende Schüler /Schülerinnen des Gymnasiums Hermagor beteiligt:

Claudia Schabus und Lisa Svejda (7A), sowie  Christian Lasser, Anna Ressi und Matthias Wölbitsch (8A) neben Dr. Marina Jamritsch, Lehrerin in beiden Klassen.

 

Die Lesung wurde vom Direktor des Kärntner Landesarchivs, Dr. W.Wadl  ungekürzt, wenn auch ein wenig ergänzt, in die „Carinthia“ (I/2008, p. 499 f.) aufgenommen und ist dort nachzulesen. Es ist uns also die Ehre widerfahren (Hugo v. Hofmannsthal).

 

Besonderer Dank gilt Herbert Exenberger vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, der nicht nur mit dem meisten Material, sondern auch mit viel Zuspruch geholfen hat, die Veranstaltung vorzubereiten.

 

Dank gebührt auch Frau Isolde Moser, der Schwester Ingeborg Bachmanns, die uns einen bislang unveröffentlichten Brief von Jack Hamesh an ihre Schwester zur Lesung anvertraut hat, den dieser 1947 aus Palästina geschrieben hat.

 

siehe auch:

 http://joomla.borg-hermagor.at/index.php?option=com_content&view=article&id=152:juedische-spuren-im-gailtal&catid=43:projekte&Itemid=63