Der Ehrenpreis des Österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln geht an den Juristen und Autor Philippe Sands

Philippe Sands, geboren 1960, ist Anwalt und Professor für Internationales Recht und Direktor des Centre for International Courts and Tribunals am University College London. Sands setzt sich für das Völkerrecht ein und formulierte u. a. die Anklage gegen den chilenischen Diktator Pinochet. In seinen Büchern beschäftigt er sich seit 2016 vor allem auch mit der eigenen Familiengeschichte, die er mit den Ursprüngen des Völkerrechts und zeithistorischen Aspekten in Konnex setzt.

In „Rückkehr nach Lemberg“ geht es um die Ursprünge von Genozid und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Sands rekonstruiert die Geschichte seiner eigenen Familie, die im Zweiten Weltkrieg als Juden ermordet wurden. Gleichzeitig stößt er auf die Geschichte von Hersch Lauterpacht und Raphael Lemkin, die angesichts der Nürnberger Prozesse, das moderne Völkerrecht und die Begriffe Genozid und Verbrechen gegen die Menschlichkeit prägten. In „Die Rattenlinie – ein Nazi auf der Flucht“ folgt Sands den Spuren des SS-Offiziers Otto Wächter, der ab 1939 NS-Gouverneur von Krakau bzw. ab 1942 von Galizien war. Über die Fluchtroute der Nazis, die „Rattenline“, gelangte er nach Rom, starb jedoch bevor er sich nach Argentinien absetzen konnte 1949 überraschend.
Philippe Sands trifft Ottos Sohn Horst Wächter und versucht die Geschichte Otto Wächters und seiner Frau nachzuzeichnen. Gleichzeitig geht es auch um das komplexe Verhältnis zu Horst Wächter selbst. (Podcast dazu) 

 

Für seine schriftstellerische Tätigkeit und seinen unermüdlichen Einsatz für Menschenrechte und Gerechtigkeit erhielt Philippe Sands nun den „Ehrenpreis des Österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln“ im Rahmen der Europäischen Literaturtage in Krems. Das Geld wird der Autor spenden, und zwar u.a. zwei Organisationen, die sich für Frieden zwischen Israelis und Palästinensern einsetzen: „Das West-Eastern Divan Orchestra, das aus israelischen und arabischen Musikern besteht, sowie The Parents Circle. Für diese Friedensinitiative schlossen sich israelische und palästinensische Familien zusammen, die in diesem Konflikt Angehörige verloren haben.“ (Der Standard, https://www.derstandard.at/story/3000000195633/vom-unrecht-erz228hlen, 19.11.2023)

 

Zur aktuellen Lage in Nahost hat Sands eine klare Meinung:
„Die grausamen Verbrechen der Hamas in Israel haben uns bis ins Mark erschüttert. Zugleich habe ich mit sieben anderen jüdischen Spitzenjuristen in einem offenen Brief auch festgehalten: In dieser Zeit des Schmerzes und Terrors ist es schwierig, aber entscheidend, darauf zu bestehen, dass wir alle nach Recht und Gesetzen leben müssen. (…) Es gibt keine Rechtfertigung für die Verbrechen der Hamas. Israel hat ein Recht auf Selbstverteidigung. Aber so wie es uns das Völkerrecht erlaubt, die Verbrechen der Hamas strafrechtlich zu verfolgen, so gibt es auch den Rahmen vor, innerhalb dessen Israel antworten muss. Diese Gesetze gelten ungeachtet dessen, wie schrecklich die von der anderen Seite begangenen Verbrechen sind. Unsere jüdischen Werte erfüllen uns mit der Überzeugung, dass das Gesetz und seine Einhaltung unsere Richtschnur sein müssen.“ (Philippe Sands im Interview, https://www.diepresse.com/17828172/juedischer-jurist-sands-die-juedische-geschichte-lehrt-uns-dass-wir-nicht-ohne-recht-leben-koennen)

 

Filmtipp: In„What Our Fathers Did: A Nazi Legacy”beschäftigt sich Sands mit dem unterschiedlichen Umgang mit Familiengeschichte. Dafür hat er den deutschen Journalisten Niklas Frank, den Sohn von Hans Frank, den Stellvertreter Otto Wächters und den bereits erwähnten Horst Wächter getroffen. Während Frank radikal mit seinem vater abrechnet, verteidigt Horst Wächter seine Eltern bis heute. (Link: )