Literarische Reflexionen einer Exkursion in die KZ-Gedenkstätte Mauthausen

Am 2. März 2016 besuchten die Klassen 4A und 4B des G19, Gymnasiumstr., die KZ-Gedenkstätte Mauthausen, die sich auf dem Gelände des ehemaligen KZ Mauthausen befindet.

Im Rahmen der Nachbereitung dieser eintägigen Exkursion beschrieben die SchülerInnen der 4B ihre Eindrücke, Empfindungen und Gefühle in Form von literarischen Texten.

Die dabei entstandenen Gedichte und die kurzen Prosastücke zeigen, wie sehr sich die einzelnen SchülerInnen auf diesen schrecklichen Ort eingelassen haben, wie sie mit diesen Erfahrungen umgehen und welche Bezüge zur Gegenwart und Vergangenheit sie finden.

Fünf SchülerInnen lasen ihre Texte auch bei einer Gedenkveranstaltung  in der Gedenkstätte für die Opfer der Gestapo Wien in der Salztorgasse 6 (Leopold Figl-Hof). Diese Veranstaltung am ehemaligen Ort der Gestapoleitstelle Wien am Mortzinplatz führen die Arbeitsgemeinschaft der NS-Opfer-Verbände, erinnern.at und das DÖW jedes Jahr zum Gedenken anlässlich der Annexion Österreichs durch Hitlerdeutschland im März 1938 durch.

Einige der Texte, die die SchülerInnen bei dieser Veranstaltung vorgetragen haben und die als Beispiele für die stattgefundene Auseinandersetzung stehen, finden Sie nun hier:

 

Ich in Mauthausen

 

Ich steh am Abgrund,

Nebel wie tote Seelen,

die Felswand schreit,

stumm.

 

Laura M.

 

 

Mauthausen

 

Grausam

Großes Leid

Es war schrecklich

Es geht mir nah

Mauthausen

 

Zukunft?

Furchtloses Leben

Leben in Freiheit

Ich wünsche mir Frieden

Hoffnung

 

Julia H. und Lilli L.

 

 

In den damaligen Duschen für die „KZ-Häftlinge“ von Mauthausen kommen jeden Tag hunderte Besucher vorbei, viele davon, um sich den Grausamkeiten dieser Zeit bewusst zu werden. Manche ritzen ihre Namen, ihre Initialen oder vielleicht auch ein Datum in die Wände ein, was, wenn auch moralisch zweifelhaft, nicht wirklich eine allzu schändliche Tat ist. Jedenfalls nicht im Vergleich zu dem, was ein besonders „einfallsreicher“ Besucher einritzte. Ein Hakenkreuz! Man könnte es für einen schlechten Scherz halten, was es möglicherweise auch war, aber ich sehe darin eine wahrhaftig angsteinflößende Erinnerung daran, dass wir uns von nationalsozialistischem Gedankengut vielleicht doch nicht so weit distanziert haben, wie wir es gerne hätten.

 

Veronika J.

 

 

Ich in Mauthausen

Tausend andere vor mir

Das Lager in mir,

bleibt.

 

Csongor St.

 

 

Mauthausen

 

Alles still, alles ruhig

Kein Leben mehr,

die Zeit vorbei,

ich stehe hier,

und denke mir,

hoffentlich passiert das nie wieder

 

Marie C.

 

 

Mauthausen oder

Und so sah es für alle anderen aus…

 

„Perfekte Schussfläche“, hörte ich den Kommentar eines Jungen, der die über zwei Stunden lange Fahrt vor mir gesessen war. Obwohl ich wusste, dass er mich nicht sehen konnte, nickte ich stumm, als der Bus in den Parkplatz vor dem ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen einfuhr. Vor uns erhob sich eine riesige Steinmauer, gekrönt von Stacheldraht, an dem offenbar nicht gespart worden war. Ich konnte mir vorstellen, dass die Flüchtlingsrate hier kaum höher war, als die des kalifornischen Gefängnisses Alcatraz. Schließlich wurde hier auf die Flüchtenden geschossen, sobald sie das Gelände verließen. Und die Wiesen um das ehemalige Lager herum boten wirklich eine perfekte Schussfläche.

Die zwei Schulklassen drängten sich aus dem Bus hinaus an die frische Luft. Gleich würde die Führung beginnen, und wir waren alle schon aufgeregt. Wir hatten zwar schon einiges über die Gedenkstätte gehört, aber allein dort zu sein, gab einem ein ganz anderes Gefühl. Und, das, obwohl wir noch nicht einmal wirklich drinnen waren. Nein, die Führung führte uns zuerst zum Löschbecken, das inoffiziell auch als örtliches Schwimmbad während den letzten Kriegsjahren genutzt wurde. Direkt vor dem Lager. Wie konnte man hier nur baden gehen?! Das war doch –und ich konnte es kaum anders ausdrücken – krank. Dasselbe flüsterte ich auch meiner Freundin zu. „Warte erst mal, bis wir zum Fußballplatz kommen“, flüsterte sie zurück. „Hier gibt’s einen Fußballplatz?“, die Frage beantwortete sich keine Minute später von selbst. Ja, dort gab es einen Fußballplatz. Wozu? Zum Fußballspielen. Direkt gegenüber des Platzes an dem die, von den sogenannten Häftlingen mit dem traurigen aber wahren Namen „Sterbelager“ benannten Baracken für die Kranken gestanden waren. Seuchen gab es in solchen Lagern ja viel zu viele. Und der Vermittler erklärte uns, dass die SS die Nahrungsrationen für die Kranken noch verringert hatte. Denn, so war deren Erklärung, wer nicht arbeitet, der muss auch nicht so viel essen. Da konnte wirklich kaum einer überleben. Schrecklich.

Wir verweilten dort noch einige Minuten, danach gingen wir weiter, zu einem Feld, dass mit verschiedensten Denkmälern geschmückt war. „Jede Nation, die hier Menschen verloren hat, hat eines aufgestellt“, erklärte uns der Vermittler. Schließlich blieben wir neben einem Zaun zu einem Abhang stehen. Mit perfektem Blick auf die Todesstiege. „Zum Glück müssen wir die nicht selbst hinuntergehen“, dachte ich.

Der Eingang des Lagers war ein riesiger Torbogen aus Stein. Wir bekamen Bilder, auf denen SS-Männer zu sehen waren, die sich in der Sonne sonnten. Vor einem KZ! Einfach so! Hatten die denn keine Gewissensbisse? Da drinnen starben Menschen! Na, anscheinend nicht. Das war ja alles freiwillig. Ich war zu entsetzt, um etwas zu sagen. Als ich dann doch etwas sagte, bat mich der Vermittler es zu wiederholen. Nicht etwa, weil ich etwas Richtiges gesagt hatte, na ja, vielleicht nicht ganz, sondern weil ich „ein so zartes Stimmchen hätte“. Das wunderte mich. Im Theaterkurs wurde ich für meine laute Stimme gelobt, und im Unterricht hatte mich meine Sitznachbarin immer gebeten, nicht so laut zu lesen. Und das war der Moment, an dem ich mich erstmals fragte, ob mir der Ort nicht mehr zusetzte, als ich eigentlich dachte.

Passend zu der gedrückten Stimmung hatte es auch noch angefangen zu regnen, als wir in eine der Baracken hineingingen. Während der Vermittler die Umstände zu beschreiben begann, hatte ich einen Gedanken in meinem Kopf, den ich einfach nicht loswerden konnte. Ich stellte mir vor, wie ein Mann, zusammen mit drei anderen, auf einem dieser Strohbatzen schlief. Er wachte auf, zusammen mit allen anderen. Außer vielleicht zwei oder drei, die die Nacht nicht geschafft hatten. Einer davon, war sein Nachbar…

Den Rest der Tour habe ich kaum mehr in Erinnerung. Mit einem schrecklichen Gefühl im Herzen lief ich durch die Räume, die Gaskammer, den Saal mit all den Namen der Opfer des Lagers. Und mir war bewusst: Es gab wahrscheinlich keinen Ort in diesem Lager, an dem KEIN Mensch gestorben war.

 

Verena Z.

 

 

 

 

 

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