Projektbericht: „…in den Lüften, da liegt man nicht eng…“
Die SchülerInnen der 3BHW der WiMo Klagenfurt, Höhere Lehranstalt für Wirtschaft & Mode, setzten sich im Wintersemester 2024/25 mithilfe von DERLA künstlerisch mit dem Gedenken an die Opfer der „NS-Euthanasie“ in Klagenfurt auseinander. Entstanden ist dabei der Film „…in den Lüften, da liegt man nicht eng…“:
Der OeAD initiierte und finanzierte das Projekt als Kulturvermittlungs-Impuls zur Online-Plattform DERLA (Digitale Erinnerungslandschaft Österreich. Verfolgung und Widerstand im Nationalsozialismus, online unter www.erinnerungslandschaft.at).
Das Projekt beschäftigte sich mit zwei Mahnmalen für „Euthanasie“-Opfer auf dem Gelände des Klinikums Klagenfurt:
- Gedenkstätte für Euthanasie-Opfer im Park der Geriatrischen Tagesklinik Klagenfurt/Celovec
- Euthanasie-Mahnmal am Gelände des Klinikums Klagenfurt/Celovec
Zur Geschichte der beiden Erinnerungszeichen
Das Krankenhaus Klagenfurt wurde 1896 errichtet. Ab 1939 wurden im NS-Regime dort Menschen mit körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen – die für die NationalsozialistInnen als „lebensunwert“, „rassisch minderwertig“, „asozial“, „arbeitsscheu“ oder „unnütze Esser“ galten – systematisch durch das Krankenhauspersonal ermordet. Weiters fanden Zwangssterilisationen und -abtreibungen statt, um „erblich belastetes Menschengut zu verhindern“. Mindestens 700 PatientInnen aus dem „Gaukrankenhaus“ Klagenfurt wurden in den Jahren 1940/1941 in die Vernichtungsanstalt Schloss Hartheim in Oberösterreich deportiert und ermordet.
1946 gab es Haftbefehle und Strafen für ehemalige MitarbeiterInnen des Krankenhauses und es kam zu einer Hinrichtung. Dennoch gab es in Kärnten bis in die 1990er Jahre keine relevante öffentliche Aufarbeitung des Geschehenen.
1988 wurde vor der psychiatrischen Abteilung eine weiße Marmorfigur mit dem Namen „Die Trauernde“ aufgestellt (Bildhauer: Max Gangl) sowie in den 2000er Jahren in deren unmittelbarer Nähe eine Informationstafel zu Ereignissen der „NS-Euthanasie“ in Kärnten hinzugefügt.
2022 wurde die Gedenkstätte “ERINNERN” auf Initiative Vereins MKK Memorial -Kärnten Koroška (Plattform gegen Rassismus, Antisemitismus, Faschismus) errichtet. Auf Gedenktafeln sind die 277 Namen der Ermordeten aufgelistet. Die 4,5 Meter hohe rote Stimmgabel (Entwurf: Architekt Klaus Holler) vor dem Eingang zur Geriatrischen Tagesklinik ist eine architektonische Interpretation der „Todesfuge“ von Paul Celan sowie ein Symbol für die Befreiung von Gewalt und Repression.
Filmstill „…in den Lüften da liegt man nicht eng…“ (© Birte Brudermann)
Der „Todesfuge“ ist der Titel des Kulturvermittlungsprojekts und des Films „…in den Lüften da liegt man nicht eng…“ entlehnt.
Zum Kulturvermittlungsprojekt
Was hat das mit SchülerInnen der dritten bzw. vierten Generation zu tun? Worin liegt die erinnerungskulturelle Arbeit dieses Projekts?
Erinnerungskulturelle Arbeit ist sowohl ein Beitrag zur Würde unserer Republik und zur respektvollen Auseinandersetzung mit den Lebensgeschichten der Opfer, als auch eine Annäherung an Geschehnisse innerhalb des persönlichen Umfelds. Persönliches ist politisch und umgekehrt. Verletzungen, aber auch Vorurteile werden über Generationen weitergegeben, so Birte Brudermann.
Zu Projektbeginn fand eine Einführung in das Thema durch die Kulturvermittlerin Birte Brudermann statt. In Folge wurde in Kleingruppen gearbeitet. Eine Kleingruppe recherchierte beispielsweise zur und mit der Online-Plattform DERLA und präsentierte ihre Ergebnisse am Ende des ersten Projekttags.
Präsentation der Online-Plattform DERLA, Foto: Birte Brudermann
Die restliche Klasse arbeitete in unterschiedlichen Gruppenkonstellationen. Es wurden vom NS-Regime definierte „psychische und körperliche Mängel“ besprochen, sowie der Bogen zur Gegenwart gespannt, indem Themen wie Ausgrenzung und Diskriminierung diskutiert wurden. Neben Gesprächen gab es unterschiedliche Arbeitsaufträge für die einzelnen Gruppen, z. B. durch bildnerische Gestaltungen Sätze aus der „Todesfuge“ zu interpretieren oder sich zu Themen – bei denen es häufig schwerfallen kann, sich öffentlich zu äußern – anonym Gedanken aufzuschreiben.
Filmstill „…in den Lüften da liegt man nicht eng…“ (© Birte Brudermann)
Die anonym auf Zettel aufgeschriebenen Gedanken der SchülerInnen wurden anschließend gemischt, die SchülerInnen zogen einen (fremden) Zettel und lasen diesen vor. Dies geschah mit der Regel kommentarlos und möglichst ohne moralische Bewertung. Übungen wie diese sollen SchülerInnen die Möglichkeit bieten, auch (eigene) Vorurteile, die öffentlich nicht geäußert und schon gar nicht ausgelebt werden dürfen, artikulieren zu können.
Vor Ort, auf dem Gelände der Klinik Klagenfurt, bekamen die SchülerInnen u. a. die Aufgabe, zum Mahnmal „ERINNERN“ in assoziativer Herangehensweise Video- und Tonaufnahmen zu machen. Dieses assoziative Herangehen sollte Vergleichbares wie in der Übung des anonymen Aufschreibens bewirken.
Filmstill „…in den Lüften da liegt man nicht eng…“ (© Birte Brudermann)
Die SchülerInnen führten zudem in ihrem familiären und privaten Umfeld Gespräche zum Thema „Krieg und Psyche“, recherchierten zu den auf den Mahnmalen aufgelisteten ermordeten Personen und setzen sich in Diskussionsrunden mit Ausgrenzung, Nicht-Zugehörigkeit und unausgesprochenen bzw. tabuisierten Konflikten auseinander.
Aus den unterschiedlichen Beiträgen der SchülerInnen, wie dem Film- und Audiomaterial, den Zeichnungen und den assoziativen Texten, entstand der Film „…in den Lüften da liegt man nicht eng…“ als künstlerisches Projektergebnis.
(Gekürzte und leicht angepasste Variante des Projektberichtes von Birte Brudermann)