Gründung des Vereins der Windischen - Kulturarbeit im Rückwärtsgang

Weil nicht sein kann, was nicht sein darf! So oder so etwas ähnliches mussten sich wohl die GründerInnen des „Vereins der Windischen“ gedacht haben, als sie den Entschluss fassten, aktiv zu werden und dem Gailtal – einem Tal mit einer vielfältigen, multi-ethnischen Kulturgeschichtliche – einen längst überholten politischen Stempel aufzudrücken.

Hermagor/Gailtal. Wörtlich meint der Obmann des Vereins Oswald Oman: „Das Ziel ist das, dass wir als Windische akzeptiert werden und nicht immer den Slowenen zugeordnet. Wir wollen die windische Kultur, die Sprache, ein bisschen pflegen und erhalten. Das war die ursprüngliche Sprache, die in unserem Gebiet gesprochen wurde.“ Diese Aussage erinnert an  die Hochphase des deutschnationalen kärntner Grenzlandbewusstseins, mit der die Arisierung in Kärnten begründet und vorangetrieben wurde.

Bewusst oder unbewusst beruft sich Oman damit auf den kärntner Historiker, Nationalsozialist und Rassentheoretiker Martin Wutte, der 1927 den politischen Begriff des „Windischen“ geprägt hatte. Demnach wäre das „Windische“ eine eigenständige Sprache und Kultur, die sich durch ihre „Deutschfreundlichkeit“ auszeichnen würde. Er versuchte damit in einigen kruden Aufsätzen und Texten verzweifelt das Abstimmungsverhalten vieler kärntner SlowenInnen – die ja 1920 bekanntlich mehrheitlich für den Verbleib bei Kärnten stimmten – zu erklären. Seine „Windisch-Theorie“ ist mittlerweile längst überholt und widerlegt, in Kärnten hält sie sich bisweilen bis heute.

Das offensichtlich existierende – nämlich die slowenische Kultur im Gailtal – wurde mit Wutte zum Opfer einer politisierten Rassenkunde, deren Agenda vom deutschkärntner Herrenmenschentum, das sich spätestens im Zuge der Volksabstimmung 1920 herausgebildet hatte, bestimmt wurde. Viele kärntner SlowenInnen sahen darin die Absicht der Deutschnationalen, die slowenische Volksgruppe zu spalten und zu schwächen. Die vielfältigen Folgen dieser rassistisch begründeten Spaltung der kärntner SlowenInnen fanden ihren Höhepunkt in der Deportation derselben im April 1942. Erklärtes Ziel der deutsch-Kärntner und Nazis war es, dieses Land „deutsch“ zu machen.

Der Sprecher des „Vereins der Windischen“, Oswald Oman, stellt unmissverständlich die politische Komponente seines Vereins zur Schau, indem er seine Gruppe um keinen Preis dem Slowenischen zuordnen lässt. Oman, der gleichzeitig Obmann des minderheitenfeindlichen „Kärntner Abwehrkämpferbundes Unteres Gailtal“ ist, bekundet damit ein Bekenntnis zum kärntner Grenzlandbewusstsein, das die slowenische Kultur in Kärnten immer wieder – meist mit den Mitteln der psychischen und physischen Gewalt -auszuschalten versuchte.

Den politisch konstruierten „Windischen“ – also denjenigen kärntner SlowenInnen, die 1920 unter dem Einfluss falscher Versprechungen Deutsch-Österreichs für Österreich gestimmt hatten – haftete im Verständnis Deutsch-Kärntens zumindest nicht der Ruf der „Heimatverräter“ an. Der Preis dafür war allerdings hoch. Sie mussten ihre Sprache und Kultur trotzdem auf- oder zumindest der Eindeutschung preisgeben. Ein Beispiel aus Egg/Brdo im Gailtal: um 1900 betrug hier der Anteil der kärntner SlowenInnen knapp 99 Prozent, um 1934 waren es noch knapp die Hälfte, nach der nationalsozialistischen Arisierungspolitik war das Slowenische im Gailtal beinahe ausgelöscht.

Die Sprachwissenschafterin Katharine Hunter hatte in ihrer Arbeit „The Slovene-Speaking Minority of Carinthia“ die „Windischenthese“ des Nazi-Historikers Martin Wutte widerlegt. Hunter gelangt zu dem Schluss, dass „Windisch“ keine eigene Sprache, sondern ein Dialekt des Slowenischen sei – so wie Tirolerisch ein Dialekt der deutschen Sprache ist. Noch aktueller ist die Arbeit „The slovene dialect of Egg and Potschach in the Gailtal, Austria“, in dem der gesamt slowenische Dialekt des Gailtals niedergeschrieben, analysiert und im Rahmen der slowenischen Sprache verortet wird. Der Autor hat dazu knapp 10 Jahre lang eine Familie in Potschach/Potoče, die noch der Gailtaler slowenischen Sprache mächtig ist, besucht und gemeinsam mit ihr das erwähnte Buch verfasst.

Herrn Oswald Oman sei auch ein Blick in das Buch „Gailtal-Zilja, 1848-1918: eine Region wird deutsch“ nahe gelegt. Selten wurde die Geschichte und die Transformation des Gailtaler Slowenischen hin zum Deutschen eindrücklicher geschildert, als in diesem Werk. Schließlich und endlich stellt sich die Frage, was denn Herr Oman glaubt – wo die Namen der Berge, die ihn umgeben, wenn er aus seinem Fenster schaut herkommen: Dobratsch, Oisternig, Poludnig etc. Mit den Ortsnamen im Gailtal fangen wir jetzt erst gar nicht an. Im Kulturellen: Kufenstechen, Lindentanz, Gailtaler Tracht, um nur einige Beispiele zu nennen. All diese Bräuche und Traditionen kommen ursprünglich aus der slowenischen Kultur. Weh tut das wirklich niemanden.

Unser Tipp an den Verein der „Windischen“: Nennen wir das Kind doch beim Namen und freuen wir uns darüber, dass es im Gailtal, im geographischen Herzen Europas, noch eine slowenisch-sprachige Bevölkerung und Kultur gibt, wenn sie auch aufgrund von jahrzehntelanger Marginalisierung stark dezimiert bzw. eingedeutscht wurde. Herr Oman, wir laden sie herzlich ein, doch endlich ins 21. Jahrhundert zu treten. Čas je zrel! Die Zeit ist reif!

Daniel Jamritsch und Bernhard Gitschtaler

Hermagor/ Šmohor

Gegen das Verstummen einer Sprache: - link