Zeitzeuge Aba Lewit verstorben

Einer der letzten Überlebenden des KZ Mauthausen ist verstorben. Aba Lewit erlangte durch seine Klage beim Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte große Bekanntheit.

Der 1923 in Polen geborene Aba Lewit verstarb am 17.11.2020 in Wien, er war einer der letzten Überlebenden des KZ Mauthausen. Lewit wuchs in jüdischen-bürgerlichen Verhältnissen in der mehrheitlich von Jüdinnen und Juden bewohnten Stadt Działoszyce auf; Jiddisch war seine Muttersprache. Mit dem deutschen Überfall auf Polen begann die Verfolgung der polnischen Jüdinnen und Juden und Lewits qualvoller Weg durch mehrere Konzentrationslager. 

 „Wie habe ich das überlebt?“

Interniert in mehrere Konzentrationslagern wird Lewit als Zwangsarbeiter versklavt und überlebt drei Schüsse eines SS-Mannes im KZ Plaszow, das durch Steven Spielbergs Film Schindlers Liste bekannt wurde, nur knapp. Dort überlebte er auch zwei direkte Begegnungen mit dem als besonders gewalttätig bekannten Wiener Lagerkommandanten Amon Göth. Bei einer dritten Begegnung mit Amon Göth nach dem Krieg in München, konnte Lewit den Massenmörder, der versuchte seine Identität zu verschleiern, für die US-amerikanischen Behörden identifizieren. Göth wurde anschließend an die polnischen Justizbehörden übergeben, verurteilt und im September 1946 hingerichtet.

„Ich fühle keine Genugtuung dabei,“ sagte Lewit dem ORF über die Verurteilung von NS-Tätern. „Warum nicht? Vielleicht hat das mit der Religion zu tun, ich weiß es nicht. Das sind Verbrecher gewesen, effektiv Verbrecher,“ so Lewit im ORF-Interview.

1943 wurde Lewit ins KZ Mauthausen deportiert. Die Deportation dorthin, ohne Essen und Trinken, beschrieb er als besonders qualvoll; viele seiner Mithäftlinge starben während der Überstellung. Auch im KZ Mauthausen musste er Zwangsarbeit leisten, teils nackt und ohne Schuhe im Steinbruch des KZ, später im Außenlager Gusen für die Errichtung des Stollenkomplexes „Bergkristall“ . Die Befreiung durch die US Army erlebte Lewit im Außenlager Gusen. Nach dem Krieg lebte er in Wien und war im Metall- und Textilgewerbe tätig.

„Nicht gut … es kommen wieder verschiedene Erinnerungen. Wie habe ich das Überlebt? Die Lage? Die Situation? … Man kann sich das gar nicht merken, was sich da alles abgespielt hat, das geht nicht hinein in den Kopf. Es tut nicht gut, seelisch knabbert es.“ Aba Lewit über seine Gefühle anlässlich der Befreiungsgedenktage im Mai 2017.

Als Zeitzeuge trat Aba Lewit erst im hohen Alter öffentlich auf, er setzte sich für Menschenrechte ein, warnte vor Antisemitismus und sprach gegen die Diskriminierung von Flüchtlingen. Die Folgen seiner Haft belasteten ihn Zeit seines Lebens körperlich und psychisch. Kraft und Stärke fand er in der Religion: „Ich bin stark genug, damit ich nie nachgebe“, so Lewit in einem Interview. Nachgegeben hat der willensstarke Lewit auch nicht in Rechtsstreiten mit der rechtspopulistischen Zeitschrift Aula und der Republik Österreich.

 

CASE OF „LEWIT v. AUSTRIA“

In einem Artikel des von der Arbeitsgemeinschaft Freiheitlicher Akademikerverbände Österreichs herausgegebenen Magazins „Aula“ wurden 2015 Menschen, die 1945 aus dem KZ Mauthausen befreit wurden, u.a. pauschal als „Massenmörder“ und „Landplage“ bezeichnet. Mit der Begründung, dass es „nachvollziehbar sei, dass die befreiten Häftlinge eine Belästigung darstellten“, stellte die Staatsanwaltschaft Graz wenige Monate später ein bereits eingeleitetes Ermittlungsverfahren wieder ein. 2016 klagten daraufhin neun KZ-Überlebende, darunter der 2018 verstorbene Rudolf Gelbard und der nun verstorbene Aba Lewit, gegen die Zeitschrift "Aula" und deren Autor Manfred Duswald - eine zivilrechtliche Klage wegen Ehrenbeleidigung und Kreditschädigung verbunden mit einem Antrag auf einstweilige Verfügung gegen den „Aula“-Verlag und den Autor Duswald sowie eine medienrechtliche Klage gegen den „Aula“-Verlag.

Nachdem das Oberlandesgericht Graz im medienrechtlichen Verfahren gegen die Interessen der überlebenden KZ-Häftlinge entschieden hatte, zog der Mauthausen-Überlebende Aba Lewit als alleiniger Beschwerdeführer mit Unterstützung der Grünen vor den EGMR (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte). In einem am 10. Oktober 2019 ergangenen Urteil stellte der EGMR eine Rechtsverletzung durch die Republik Österreich fest: Die österreichischen Gerichte hätten Lewit unzulässigerweise nicht vor den diffamierenden Behauptungen der „Aula“ geschützt. Das Verfahren in Österreich ist auf Antrag des Beschwerdeführers oder der Generalprokuratur nach Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu erneuern. Weiters wurde Lewit eine kleine Entschädigung zugesprochen. Österreich hat das Verfahren nicht wieder aufgenommen.

 

Anteilnahme aus Gesellschaft und Politik

Bildungsminister Heinz Faßmann zeigt sich tief betroffen vom Ableben des Zeitzeugen Aba Lewit:  „Aba Lewit war einer der letzten Überlebenden des KZ Mauthausen, als Zeitzeuge betonte er oft die Bedeutung der Bildungsarbeit über die Verbrechen der Nationalsozialisten. Sein Engagement gegen Holocaustleugnung, für Menschlichkeit und Menschenrechte wird vielen in Erinnerung bleiben“.

Aba Lewit warnte in Gedenkreden und Interviews auch von Antisemitismus. „Ich verbeuge mich in tiefem Respekt vor den Opfern des Holocaust. Als Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung sage ich mit aller Klarheit, dass ich eine Politik der Null-Toleranz gegenüber allen Formen des Antisemitismus und von Rassismus verfolge. Mein Ressort nimmt diese historische Verantwortung wahr und engagiert sich stark in der Prävention von Antisemitismus durch Bildung“

„Meine Anteilnahme gilt seiner Familie. Wir werden sein Andenken bewahren und auch weiterhin neuen Generationen von Schülerinnen und Schülern die Geschichte des Holocaust vermitteln und eine aktive Erinnerungskultur in den Schulen leben“, so Faßmann.

IKG-Präsident Oskar Deutsch äußerte sich ebenfalls zum Tod von Aba Lewit: „Wir sind Aba Lewit für seinen großartigen Einsatz als Zeitzeuge und für Gerechtigkeit dankbar. Die Jüdische Gemeinde wird den Menschen Aba Lewit vermissen.“

„Mit Aba Lewit verliert das Mauthausen Komitee ein kluges und humorvolles Vorstandsmitglied“, so das MKÖ in einer Aussendung.  „Wir danken dir für die Zeit, die wir mit dir erleben durften. Du bist und bleibst immer in unseren Herzen!“, so der MKÖ-Vorsitzende Willi Mernyi weiter.

Weitere Reaktionen gab es von der SPÖ und den Grünen. Mit den Grünen hatte Lewit eine besondere Verbindung, die Partei finanzierte seine Klage gegen die Republik Österreich. Die gedenkpolitische Sprecherin der Grünen Eva Blimlinger zum Tod von Aba Lewit: „Seine Freude über das Urteil war groß und es war auch eine Genugtuung, dass es gelingt, dass solche Äußerungen nicht unbemerkt und ungestraft gedruckt werden können. Aber, dass die Verurteilung der Republik durch den EGMR rechtlich nichts bewirken würde, war für ihn die große Enttäuschung. Seine Resignation darüber war ihm anzumerken. Aber dennoch, es war immer noch das 'Nie wieder', das ihm am Herzen lag“.

Links

Video-Interview mit Aba Lewit 2017 ORF: - Link

Artikel über das EGMR-Urteil: - Link

Nachruf auf derStandard.at: - Link

Nachruf auf ORF.at: - Link

Aussendung IKG: - Link

Presseaussendung BMBWF: - Link

Presseaussendung MKÖ: - Link

Presseaussendung SPÖ: - Link

Presseaussendung Die Grünen: - Link