Kunst- und Erinnerungsprojekt „Der Feuerwehrmann“ von Peter Roskaric

Im Rahmen des Projektes „REMEMBER ME“, einem Kulturvermittlungsimpuls zur Digitalen Erinnerungslandschaft (DERLA), setzten sich SchülerInnen der Ortweinschule Graz mit der Ausstellung „Jüdisches Leben in Graz“ des Graz Museum auseinander und konzipierten künstlerische Denkmäler. Peter Roskaric entwickelte das Projekt „Der Feuerwehrmann“, das nun auch umgesetzt wurde und am 7. November 2023 in Graz feierlich eröffnet wurde. Gerald Lamprecht (ERINNERN:AT Steiermark) berichtet im Folgenden über das Projekt und dessen historischen Kontext.

Am 7. November 2023 wurde das Kunst- und Erinnerungsprojekt „Der Feuerwehrmann“ von Peter Roskaric in Graz der Öffentlichkeit übergeben. Dabei handelt es sich um eine knapp 40cm hohe Figur eines Feuerwehrmannes, der auf einem Verkehrsschild vor der Grazer Synagoge postiert wurde und seinen Blick auf die Synagoge richtet.

Mit der Übergabe des Kunst- und Erinnerungsprojektes schließt sich ein Kreis. Denn am Beginn stand das Projekt DERLA, Digitale Erinnerungslandschaft Österreich (www.erinnerungslandschaft.at), das das Centrum für Jüdische Studien gemeinsam mit dem Zentrum für Informationsmodellierung und ERINNERN:AT seit 2019 betreibt. DERLA geht es um die Dokumentation aller Erinnerungszeichen an die Opfer des Nationalsozialismus und Holocaust in Österreich in einer digitalen Landkarte und damit verbunden um konkrete Vermittlungsangebote für Jugendliche und Schulen. Aufbauend auf DERLA kam es 2022 zu einer Kooperation zwischen DERLA, ERINNERN:AT und der Kulturvermittlung mit Schulen des OEAD, in der es darum ging, SchülerInnen und Schüler mit KünstlerInnen zusammenbringen. Ziel dieser Projekte war die künstlerische Beschäftigung mit der österreichischen Erinnerungskultur sein. Eines dieser von der Kulturvermittlung mit Schulen des OeAD finanzierten Projekte war die erfolgreiche und fruchtbare Kooperation zwischen dem Graz Museum und der Grazer Ortweinschule. Elf SchülerInnen der Grazer Ortweinschule, Abteilung Bildhauerei Objektdesign Restaurierung entwarfen Gedenkzeichen, die im Herbst 2022 in der Ausstellung „REMEMBER ME“ im Graz Museum der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Die Arbeit „der Feuerwehrmann“ von Peter Roskaric wurde schließlich von Kunst im öffentlichen Raum Steiermark realisiert und wird in weiterer Folge auch in DERLA eingetragen werden.

Foto: Gerald Lamprecht

Zum historischen Kontext

Der Feuerwehrmann ist Erinnerungszeichen und Mahnmal zugleich und damit im höchsten Maße zeitgemäß. Er steht für die Erinnerung an die Novemberpogrome 1938, denen in Graz die Synagoge, die Zeremonienhalle am Friedhof und zahlreiche Jüdinnen und Juden zum Opfer gefallen sind. Am späten Abend des 9. November 1938 wurde die 1892 am Grieskai errichtetet Synagoge von Grazer Nationalsozialisten, konkret SA-Männern, in Brand gesetzt. Weiters wurde das angrenzende Amts- und Schulgebäude verwüstet, die dort befindlichen Unterlagen wurden weitgehend zerstört und auch das Gebäude selbst erlitt Brandschäden. Später zog in das wieder instand gesetzte Haus die Hitlerjugend ein.

In derselben Nacht wurden aber auch einzelne Juden in Graz schwer misshandelt, darunter der Möbelhändler Oskar Pichler und Landesrabbiner David Herzog, der über diese Nacht eindringlich in seinen Erinnerungen berichtet. Ebenfalls in dieser Nacht vom 9. auf den 10. November und auch tagsüber wurden in Graz 300 Männer im Alter zwischen 16 und 60 Jahren verhaftet, in das Polizeigefängnis in der Paulustorgasse verbracht und die große Mehrheit dann in das KZ Dachau deportiert. Von dort kamen sie bis zum Dezember 1938/Jänner 1939 nur noch frei, wenn sie garantieren konnten, das Reichsgebiet binnen weniger Tage zu verlassen. Davor mussten sie jedoch noch alle nötigen Dokumente, die ihre vollständige Beraubung besiegelten, unterzeichnen. Einige der Verhafteten kamen in Dachau ums Leben.

Am 10. November 1938 wurde dann tagsüber auch die Zeremonienhalle am jüdischen Friedhof in Wetzelsdorf unter Teilnahme von zahlreichen Schaulustigen in Brand gesetzt, wozu es auch Fotografien gibt, die sich in das Grazer Bildgedächtnis eingeprägt haben. Sie zeigen, dass all diese Gräuel und Verbrechen wohlüberlegt und genau geplant waren und vor den Augen eines zahlreichen Publikums stattfanden.

 

Foto: Gerald Lamprecht

Damit steht der Feuerwehrmann auch als Mahnung für die Gegenwart. Er verweist einerseits auf das Mitmachen und andererseits das vermeintliche Wegsehen. Denn die städtische Feuerwehr war aktiv in den Pogrom involviert. Dieser wurde von der NS-Propaganda zwar als „spontaner Volkszorn“ bezeichnet, doch in Wahrheit waren all die Vorgänge minutiös geplant worden. Am Vormittag des 9. November 1938 trafen sich Vertreter der SA, der NSDAP und der städtischen Feuerwehr im SA-Heim in der Keesgasse, dem ehemaligen Logenheims der Bnai Brith Loge „Graz“ und besprachen den Ablauf. Daraufhin wurde Brennmaterial (Spiritus, Papier, …) von einer Grazer Drogerie abgeholt und in die Synagoge gebracht. Zudem erhielt die Feuerwehr ihre Direktiven. Sie hatte die umliegenden Gebäude vor einem Übergreifen der Flammen zu schützen. Auch die SA-Männer erhielten Anweisungen. Unter anderem hatten sie Absperrmaßnahmen durchzuführen, um Schaulustige außerhalb des Gefahrenbereichs zu halten. Damit war schon am Vormittag festgelegt worden, was am späten Abend geschehen sollte und wer was zu tun habe.

Als jedoch im Jahr 1947 der Brand der Synagoge Gegenstand eines Volksgerichtsprozesses war, in dem die Schuldigen ausfindig gemacht und zur Rechenschaft gezogen werden sollten, waren plötzlich zwar alle dabei, doch niemand hatte etwas gesehen oder getan, weshalb in letzter Konsequenz auch niemand verurteilt wurde. Niemand war also verantwortlich!

Die im Volksgerichtsprozess vorgeladenen Zeugen gaben alle an, dass sie an diesem Abend bei der Synagoge waren, um ihren Aufgaben als Feuerwehr nachzukommen. Als Täter sahen sie sich nicht. Vielmehr behaupteten sie, auch nichts gesehen zu haben, da sie in Ausübung ihrer Tätigkeit dem verbrecherischen Geschehen ständig den Rück zugekehrt hätten, womit sie auch nicht sagen könnten, wer tatsächlich den Brand gelegt hat.

Dabeisein und Wegsehen. Das ist doch ein Widerspruch! Denn auch wenn Feuerwehrmänner nicht selbst das Streichholz entzündet haben, mit dem die Synagoge in Brand gesetzt wurde, waren sie durch ihre Tätigkeit, durch ihre Anwesenheit aktiv Beteiligte. Sie waren keine Bystander, sie waren Kollaborateure. Denn angesichts des Verbrechens gibt es keine Position des unbeteiligten Beobachters. Vielmehr fordert, ja zwingt es zur Positionierung. Zu- oder auch aktives Wegsehen ist in diesem Fall immer Mitmachen.

Ein Aspekt, der sicherlich auch auf die heutige Zeit umgelegt werden kann und muss. Zu- oder Wegsehen angesichts der Radikalisierung und Zunahme von Antisemitismus, der das Leben von Jüdinnen und Juden und letztlich unsere liberale, demokratische Gesellschaft bedroht, ist letztlich Mitmachen.

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Leicht überarbeitete Fassung des Redebeitrages anlässlich der Übergabe des Kunst- und Erinnerungsprojektes „Der Feuerwehrmann“ von Peter Roskaric an die Öffentlichkeit, Synagoge Graz, 7. November 2023.