Rezension: Christoph Kühberger und Philipp Mittnik (Hg.) Nationalsozialismus, Holocaust, Zweiter Weltkrieg.
Eine Rezension von Daniela Lackner, ERINNERN:AT Wien
Inhalt und Aufbau
Der Sammelband „Nationalsozialismus, Holocaust, Zweiter Weltkrieg. Zeithistorische Grundlagen und Beispiele für die Unterrichtspraxis“ herausgegeben von Christoph Kühberger und Philipp Mittnik im Wochenschauverlag bietet eine umfassende, multiperspektivische Darstellung zentraler Aspekte zu den Themen Nationalsozialismus, Holocaust und Nachkriegsgeschichte.
Die insgesamt 15 Kapitel des Sammelbandes orientieren sich an lehrplanrelevanten Themenkreisen und werden in einer Einführung von Philipp Mittnik für Lehrpersonen sehr anschaulich erklärt.
Jedes Kapitel ist zweigeteilt aufgebaut. Zu Beginn stehen zeithistorische Fachbeiträge österreichischer Historikerinnen und Historiker– darunter Bertrand Perz, Helga Embacher und Robert Obermair. Diese Beiträge bereiten zentrale Themen wie NS-Ideologie, Holocaust, Widerstand, Kriegsgesellschaft und Erinnerungskultur auf dem aktuellen Stand der Forschung kompakt und verständlich auf.
Daran anschließend finden die Leserinnen und Leser didaktisch-methodische Unterrichtsbausteine, die thematisch an die Fachtexte anknüpfen und von GeschichtsdidaktikerInnen entwickelt wurden. Sie bieten konkrete, kompetenzorientierte Umsetzungsvorschläge im Umfang von ein bis zwei Unterrichtsstunden.
Didaktisches Potenzial, Kompetenzorientierung und Umsetzung im Unterricht
Die Publikation „Nationalsozialismus, Holocaust, Zweiter Weltkrieg“ hat hohes didaktisches Potential. Die Themenkreise, wie beispielsweise „Alltag im Nationalsozialismus“, „Schule, Sport und Kultur im Nationalsozialismus“, „Verfolgung und Holocaust“, „TäterInnen und Widerstand“ oder auch die Auseinandersetzung mit „Verdrängung, Erinnerungskultur und dem Opfermythos“, sind inhaltlich fundiert, gesellschaftlich relevant und zeigen differenziert die Handlungsspielräume unterschiedlicher Gruppen von Menschen während des Nationalsozialismus. Sie orientieren sich am österreichischen Curriculum für Geschichte und Politische Bildung, wobei die Aufgabenformate und ausgewählten Materialien historisches Faktenwissen, Quellenarbeit und Urteilsbildung fördern und dem kompetenzorientierten Unterrichtsmodell der Anforderungsbereiche Reproduktion, Transfer und Reflexion folgen. Zusätzlich legen die AutorInnen großen Wert auf Gegenwartsbezug und Demokratiebildung, wodurch die Inhalte für Lehrpersonen besonders interessant werden. Die Unterrichtsbeispiele zeichnen sich ebenso durch methodische Vielfalt und unterschiedliche Unterrichtsinteraktionen aus.
Anzumerken ist, dass die hohe inhaltliche Dichte und die multiplen Perspektiven eine gute Vorstrukturierung durch die Lehrpersonen erfordern, um die komplexen Themen für SchülerInnen verständlich zu vermitteln. Der Band empfiehlt sich für die 9.–13. Schulstufe und die Fächer Geschichte und Politische Bildung sowie für den fächerübergreifenden Unterricht in Ethik, Deutsch und Religion.
Besonders geeignet scheinen die Themen aufgrund ihres inhaltlichen Umfangs für Projektwochen zum Thema NS-Zeit, Gedenktage (z. B. Kriegsende, Novemberpogrom oder dem Internationalen Holocaust Gedenktag) sowie für den interdisziplinären Unterricht zur Demokratieförderung.
Sprachliche Sensibilität und NS-TäterInnensprache
Das Buch geht reflektiert mit NS-Begriffen um, hebt diese in Anführungszeichen hervor und fordert zur kritischen Auseinandersetzung auf sprachlicher Ebene auf. Dadurch kann der Sammelband auch einen Beitrag zur Sprachsensibilität im Unterricht leisten. In heterogenen oder mehrsprachigen Klassen bedarf diese sprachsensible Auseinandersetzung sicherlich gezielter Unterstützung, z.B. durch Sprachhilfen oder Visualisierungen. Inklusive und genderreflektierte Perspektiven sowie der Fokus auf postmigrantische Lebenswelten werden allerdings in den meisten Kapiteln berücksichtigt.
Fazit
Das Buch ist eine fundierte und didaktisch durchdachte Publikation zur Vermittlung von Wissen über den Nationalsozialismus. Es bietet sowohl Fachwissen, aktuelle Gegenwartsbezüge als auch praxisnahe Unterrichtsbausteine.
Für Lehrpersonen finden sich hilfreiche Anleitungen zur Planung und Aktualisierung von Unterrichtseinheiten. Die kritische Auseinandersetzung mit Begriffen und Narrativen des NS-Regimes wird angeregt und ist trotz der inhaltlichen Dichte gut im Unterricht umsetzbar.
Alle Unterrichtsbausteine bieten historische Einführungstexte, zahlreiche Primärquellen (u. a. Originalzitate aus Erinnerungsberichten), quellenkritische Arbeitsaufträge und differenzierte Reflexionsanregungen mit starkem Gegenwartsbezug und ermöglichen somit einen Zugang über visuelle und emotionale Reize für die SchülerInnen. Die Einheiten lassen sich gut adaptieren und eigenen sich besonders, um historisches Lernen mit politischer Bildung und Medienreflexion zu verbinden.
