Wo sind sie geblieben? Die (jüdischen) Frauen von Krems

Gespräch in der Ladengalerie Niederösterreich über die jüdischen Frauen von Krems anlässlich des Kunstprojekts "Ich bin hier." von Iris Andraschek

Über 30 Personen waren der Einladung von kremskultur und der Landesgalerie Niederösterreich gefolgt und zum Gespräch über das Kunstprojekt „Ich bin hier.“ Von Iris Andraschek gekommen. Gemeinsam mit der Historikerin Edith Blaschitz und Kulturamtsleiter Gregor Kremser sprach die Künstlerin über die Hintergründe zu ihrem Projekt, das an über 100 vertriebene, verfolgte und ermordete Kremser Jüdinnen erinnert. Im Stadtraum von Krems bringt die Künstlerin noch bis Ende Oktober mit Leimfarben gemalte Teppiche, die je einer dieser Frauen gewidmet sind, mit Hilfe von Schablonen an. Die Teppiche wurden vorzugsweise dort situiert, wo die Frauen einst gelebt hatten. Wenn  die Adressen nicht mehr ausgeforscht werden konnten, wurden die betreffenden Teppiche über den Stadtraum verteilt.

 Im Fokus des Gesprächs in der Landesgalerie stand der historische Hintergrund zum Projekt. Edith Blaschitz, die gemeinsam mit Martina Scherz, als wissenschaftliche Kuratorin der Ausstellung „Wo sind sie geblieben? Die Frauen von Krems“ fungiert hat die Grundlagen für das Projekt „Ich bin hier.“, das sich aus der genannten Ausstellung entwickelt hat, zusammengetragen und ergänzt. Basierend auf den Forschungen von Robert Streibel, Doris Steiner, Karl Reder und Friedlich Polleroß sowie eigenen Recherchen, konnten bisher 113 Namen von vertriebenen und ermordeten Jüdinnen aus Krems und Umgebung ausgeforscht werden. Besonders berührend sind die Einzelschicksale, die hinter diesen Namen und Daten stehen. Das Kunstprojekt macht diese Schicksale greifbar und bringt die Frauen und Mädchen – zumindest temporär – in den Stadtraum zurück. Das Interesse bei den Kremserinnen und Kremsern ist enorm. Viele PassantInnen sprechen Iris Andraschek bei ihrer Arbeit an, die Rückmeldungen sind zum größten Teil positiv, das Interesse – auch bei Jugendlichen – ist groß. Edith Blaschitz hat auf der Homepage der „Raumforscherinnen“ Informationen und Rechercheergebnisse zu den Jüdinnen zusammengetragen. Eine Einladung an alle, vor allem aber auch an SchülerInnen aus Krems, sich mit Zeitgeschichte zu beschäftigen und eventuell auch neue Informationen beizusteuern. Die Liste mit den Jüdinnen wird laufend ergänzt und ist unter folgendem Link abrufbar: Jüdische Frauen aus Krems – DenkMAL! DenkWÜRDIG?! (raumforscherinnen.at)

 So können die Teppiche im Stadtraum Ausgangspunkt für eine tiefergehende Beschäftigung mit ausgewählten Biografien sein. Die Teppiche sind überdies interessante Fotomotive, die Verbreitung von Fotos über diverse Social Media Kanäle ist durchaus intendiert, um dem Kunstprojekt eine breitere Strahlkraft zu verleihen. Dass die Beschäftigung mit Zeitgeschichte keineswegs abgeschlossen ist, zeigt das Beispiel einer „Halbjüdin“ aus Mautern, die zwar überlebt hatte, aber Anfeindungen und Verfolgung ausgesetzt war. Eine der Töchter war in Begleitung der Enkelin bei der Anbringung des Teppichs für Aranka Kerzendorfer anwesend. Dieser emotionale Moment hat dazu geführt, dass in der Familie erstmals über Verfolgung und erlittene Kränkungen zur Zeit der Nazi Diktatur gesprochen wurde. Die Enkelin empfand das Anbringen des Teppichs als späte Ehre ihrer Großmutter gegenüber, die als einzige Mauternerin noch 1945 einen Judenstern tragen musste.

Link zur Biografie von Aranka Kerzendorfer: Aranka Kerzendorfer – DenkMAL! DenkWÜRDIG?! (raumforscherinnen.at)
(Ein Projekt von Iris Andraschek, veranstaltet von kremskultur in Kooperation mit dem museumkrems, der Kunstmeile Krems und der Landesgalerie Niederösterreich. Unterstützt von Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich und dem Österreichischen Nationalfonds)