Der Salzburger Pfarrer Balthasar Linsinger (1902 - 1986) wurde als „Gerechter unter den Völkern“ geehrt.

Die Bezeichnung „Gerechter unter den Völkern“ ist ein in Israel nach der Staatsgründung 1948 eingeführter Ehrentitel für nicht jüdische Einzelpersonen, die unter nationalsozialistischer Herrschaft während des Zweiten Weltkriegs ihr Leben einsetzten, um Juden vor der Ermordung zu retten. Der Pfarrer von Großarl hat die Familie Bäumer gerettet.

 

Linsinger hat als Pfarrer von Großarl den jüdischen Maler Eduard Bäumer, dessen Frau und die drei Kinder im Alter von damals drei, neun und zwölf Jahren bei sich im Pfarrhof aufgenommen und gerettet. Er hat sie nicht versteckt, sondern er gab sie als Wiener Familie aus, die bei einem Bombenangriff alles verloren hatte. Er hat das getan, obwohl er selbst seit 1940 wegen abfälliger Äußerungen über den Nationalsozialismus in seinen Predigten und bei Hausbesuchen im Visier der Gestapo war. Pfarrer Linsinger, also der Onkel Hauser, war ein Sohn vom Lacken-Gut in St. Veit. Er starb 1986 im Alter von 84 Jahren.“
 
Die Zahl der Österreicher unter den „Gerechten“ erhöht sich damit auf 88.
 
Der Name jedes Geehrten wird im Garten der Gerechten in Yad Vashem in Jerusalem angeschlagen. Und für jeden wird in der „Allee der Gerechten“ auf dem „Berg des Gedächtnisses“ (Hazikaron) ein Baum gepflanzt. Bei Linsinger wird das anders sein. Er erhält zwar eine Gedenktafel, weil in der „Allee der Gerechten“ aber bereits 23.226 Bäume stehen und kein Platz für Neupflanzungen ist, errichten die Gemeinden Großarl und St. Veit Gedenkstätten und setzen jeweils einen Baum.
 
Pfarrer Linsinger erhält die posthume Ehrung auf Betreiben von Angelica Bäumer. Sie ist eines der durch die Courage des Pfarrers geretteten Kinder. Angelica Bäumer ist Journalistin und lebt in Wien.
 
Für die Feierstunde im Parlament hat sie folgenden Text vorbereitet (hier Auszüge): „Es war im Sommer 1942, als Pfarrer Balthasar Linsinger aus Weißbach bei Lofer nach Salzburg kam und im Künstlerhaus vorsprach, ob nicht ein Maler des Kunstvereins so lieb sein könne, in seiner Wallfahrtskirche die Decke neu auszumalen.
 
Für ein ,Vergelts Gott‘, Geld sei keines da. Niemand wollte umsonst diese Aufgabe übernehmen, mein Vater aber, der Maler Eduard Bäumer, wollte dieses Deckenfresko malen.
 
Es sollte ein Heiliger Geist sein. Ganz in der Tradition der barocken Wallfahrtskirche. Der Pfarrer bot Quartier für den Maler und uns Kinder, Angelica und Michael. Wir blieben den Sommer über und mein Vater malte den Heiligen Geist. Abends saßen wir am großen Bauerntisch, aßen alle aus einer Schüssel und Pfarrer Linsinger spürte die Sorgen meines Vaters. Und als er erfahren hatte, was mein Vater zu Recht, wie sich später herausstellte, befürchtete, dass die sich anbahnenden Judenverfolgungen verstärkt würden, und dass sie auch die eigene Familie treffen könnten, sagte Pfarrer Linsinger: ,Dann kommen sie einfach alle zu mir.‘“
 
Bereits im Juli 1940 wurden in Salzburg mehrere Pfarrer, darunter Balthasar Linsinger, von der Gestapo festgenommen. Sie waren, laut Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands, wegen „Verrichtung kirchlicher Funktionen über den gewöhnlichen Werktagsgottesdienst hinaus“ in Haft.
 
Angelica Bäumer: „Es muss Ende 1943 oder Anfang 1944 gewesen sein, da wurde es wirklich ernst. Wir bekamen auf unsere Ausweise ein dickes ,J‘ gestempelt, erhielten weniger Lebensmittelmarken als die anderen Bürger, durften nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, nicht in die Luftschutzbunker, die in den Mönchsberg gesprengt worden waren. Und ich durfte nicht mehr ins Gymnasium gehen.“
 
Pfarrer Linsinger wurde am 1. August 1943 nach Großarl versetzt, „aber er stand zu seinem Wort und als die ersten Bomben auf Salzburg fielen, brachte meine Mutter schweren Herzens das jüngste Kind, die dreijährige Bettina, in die Großarler Pfarre, wo die Pfarrköchin, die Kaisermama, rührend für das kleine Mädchen sorgte. Und als eines Nachts, im Sommer 1944, ein Freund der Familie, der Arzt Dr. Rudolf Peyrer Heimstätt, zu uns kam, uns weckte und drängte, sofort zu fliehen, da nahmen wir so gut wie nichts mit. Unsere Ausweise mit dem verräterischen ,J‘ verbrannten wir. Der Hauptbahnhof war bereits bombardiert, Dr. Peyrer wusste aber, dass ein Flüchtlingszug in Aigen stand, den galt es zu erreichen.“ Tage später fand eine große Razzia statt. Die Nazis machten Jagd auf Juden.
 
 
Heinz Beyer: Ein stiller Held und Retter (Salzburger Nachrichten, 13. April 2011): - link
 
Bettina Fernsebner-Kokert: Ein Retter vor "Teufeln und Dämonen" (Der Standard, 13. April 2011): - link