Interview mit Andreas Maislinger zu Hilters Geburtshaus und dem Haus der Verantwortung

"Ein Haus der Verantwortung mit jungen Menschen aus aller Welt könnte es fast überall geben, aber es gibt wohl kaum ein Haus und eine Stadt, die es dringender benötigen würde".

_erinnern.at_ hat den Politikwissenschaftler Dr. Andreas Maislinger zu Hitlers Geburtshaus und zu seinem Projekt „Haus der Verantwortung/ House of Responsibility Braunau“ interviewt.

_erinnern.at_: Herr Dr. Maislinger, Sie wollen in Hitlers Geburtshaus in Braunau am Inn ein „Haus der Verantwortung“ errichten, was soll das genau sein und welche Ziele hat dieses Haus?

Bereits vor mehr als 16 Jahren haben am 7. Februar 2000 der Bürgermeister von Braunau am Inn, der Obmann des Vereins für Zeitgeschichte und alle Gemeinderatsfraktionen in einer vom Chefredakteur der Braunauer Rundschau organisierten Initiative "Braunau setzt ein Zeichen" den Erwerb des Hitler-Geburtshauses und die Einrichtung einer internationalen Stätte der Verständigung und Versöhnung gefordert. Nachdem diese Initiative mehr als zehn Jahre bis 2011 in Braunau am Inn allgemein unterstützt wurde, möchte das Projekt Haus der Verantwortung die Chance jetzt nützen und über den Auslandsdienst junge Menschen aus aller Welt einladen und dem Haus in der Salzburger Vorstadt 15 eine ganz andere Ausrichtung geben.

_erinnern.at_: Warum soll das „Haus der Verantwortung“ gerade in Braunau errichtet werden? Hitler lebte dort nur kurze Zeit als Kind, sind nicht andere Orte in Österreich geeigneter, um Österreichs Verantwortung an den Verbrechen des Nationalsozialismus zu thematisieren?

Weil es dort ein seit fünf Jahren leerstehendes Haus gibt, das dringend eine klare Definition braucht. Ein Haus der Verantwortung mit jungen Menschen aus aller Welt könnte es fast überall geben, aber es gibt wohl kaum ein Haus und eine Stadt, die es dringender benötigen würde. Und im Haus der Verantwortung soll es nicht nur um die Thematisierung der Verantwortung Österreichs an den NS-Verbrechen gehen. Braunau am Inn ist kein Opferort wie Mauthausen oder Dachau und auch kein Täterort wie der Obersalzberg oder Nürnberg. Braunau am Inn als  Geburtsort Hitlers, der zum millionenfachen Mörder wurde, hat ein Stigma. Von diesem Stigma könnte es durch das House of Responsibility befreit werden.

_erinnern.at_: Wie soll nationalsozialistische Täterschaft im „Haus der Verantwortung“ aufgezeigt und vermittelt werden?

Das Erdgeschoß soll sich unserer Verantwortung gegenüber der NS-Vergangenheit widmen. Wobei nicht an ein weiteres umfangreiches NS-Dokumentationszentrum gedacht ist. Diese gibt es ganz in der Nähe am Obersalzberg, in München und in den Gedenkstätten Hartheim und Mauthausen mit seinen ehemaligen Außenlagern. Wir wollen diese Einrichtungen in Braunau am Inn nicht kopieren, sondern denken mehr daran, den Befreiern vom Nationalsozialismus besonders zu danken.

_erinnern.at_: Wie kann oder soll nationalsozialistische Täterschaft in der Schule vermittelt werden?

Vor allem, indem wir uns mehr für unsere Verantwortung in der Gegenwart und für die Zukunft bewusst werden! Mit der HTL Braunau gibt es bereits eine enge Zusammenarbeit. Wir wollen aber etwa auch über unsere Sozialdienst-Einsatzstelle "Kindern eine Chance" in Uganda einem jungen Afrikaner die Möglichkeit geben, in der Lebenshilfe Braunau Erfahrungen für einen besseren Umgang mit behinderten Menschen in seiner Heimat zu machen.

_erinnern.at_: Was könnten LehrerInnen und SchülerInnen bei einem Besuch im „Haus der Verantwortung“ erwarten?

Sie können junge und engagierte Menschen aus allen Kontinenten kennenlernen! Und diese auch zu sich einladen. Das Haus der Verantwortung wäre nämlich kein Museum mit Ausstellungsstücken, sondern ein Ort der Begegnung mit dem bunten Leben. Einem Leben, vor dem es immer mehr Angst gibt. In diesem Haus soll die Vielfalt erlebt und gefeiert werden können.

_erinnern.at_: Hitlers Geburtshaus wird heute oft als Pilgerstätte von Rechtsextremen und Hitlernostalgikern beschrieben, Neonazis besuchen auch andere Bildungszenten wie die Dokumentation Obersalzberg (und ändern ihre Einstellung nach einem Besuch nicht), wie kann das „Haus der Verantwortung“ damit umgehen?

Darüber machen wir uns besonders viele Gedanken und die Zusammenarbeit mit der Neonazi-Aussteigerorganisation exit Deutschland ist uns daher auch besonders wichtig. Konkret: Wenn vor dem Haus der Verantwortung wieder Blood and Honour-Typen aus Ungarn auftauchen würden, wäre es unmöglich, dass diese erst durch ihren Facebook-Eintrag auffallen würden. Wir würden beobachten, wer sich vor dem Haus befindet, und in diesem Fall hätte unsere ungarische Mitarbeiterin oder unser ungarischer Mitarbeiter mit ihnen gesprochen. Und falls notwendig, natürlich die Polizei verständigt.

_erinnern.at_: Danke für das Interview!

Andreas Maislinger, ist Leiter des Vereins Österreichischer Auslandsdienst und Initiator des Projektes „Haus der Verantwortung/ House of Responsibility Braunau“

Weiterführende Links:

http://sciencev2.orf.at/stories/1743234/index.html

http://www.hrb.at/

http://www.htl-braunau.at/aktivitaeten/projektunterricht-allgemeinbildung/haus-der-verantwortung-interview-mit-dr-andreas-maislinger.html