Über den Holocaust unterrichten: Flucht und Vertreibung
Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung im März 1938 flohen Zehntausende aus Österreich vor der Gewalt auf den Straßen und den Verfolgungen der Behörden. Doch ein Land nach dem anderen schloss seine Grenzen für die jüdischen Flüchtlinge...
Zehntausende der jüdischen Flüchtlinge, die vor den nationalsozialistischen Verfolgungen flohen, waren Kinder und Jugendliche. Viele hatten illegal Grenzen überschritten.
Im Sommer 2015 sind so viele Menschen auf der Flucht wie schon lange nicht mehr. Zehntausende führt der Fluchtweg über Österreich. Ein Teil davon möchte bleiben und hier eine neue Heimat finden.
FLUCHT UND VERTREIBUNG IM NATIONALSOZIALISMUS
Sie können mit Ihren Schülerinnen und Schülern Menschen zuhören, die sich retten konnten. Was bedeutet diese Geschichte für junge Menschen heute?
Interviews:
Ilse Aschner (1918 – 2012) kann ihre Eltern nicht retten.
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Jehudith Hübner (*1921) trauert um ihre Schwester.
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Fact-Box Flucht und Vertreibung aus Österreich
Zwischen März 1938 und Jänner 1939 flohen ca. 65.000 Menschen, die von den Nationalsozialisten als jüdisch verfolgt wurden, aus jenen Teilen des Deutschen Reichs, die heute Österreich sind. Davon waren 20.000 wegen der Einreiserestriktionen als "Illegale" in den Aufnahmeländern. Tausende Kinder und Jugendliche wurden in sogenannten "Kindertransporten" in Sicherheit gebracht - England etwa nahm ca. 7.000 bis 8.000 Kinder und Jugendliche auf.
Insgesamt ca. 130.000 Flüchtlinge aus dem Gebiet des heutigen Österreich fanden in 85 Ländern Aufnahme, die wichtigsten waren Großbritannien (ca. 31.000), die USA (ca. 30.000) und Palästina (ca. 15.000). Aus Ländern, die vom deutschen Reich besetzt wurden, v.a. Frankreich, Belgien, Italien, wurden viele Flüchtlinge in die Vernichtungslager deportiert.
Tausende Flüchtlinge verdanken ihr Überleben dem Mut und dem Einsatz einzelner Männer und Frauen. Der Schweizer Polizeihauptmann Paul Grüninger etwa setzte sich über die Anweisungen hinweg und nahm mehrere hundert Flüchtlinge - unter ihnen Sophie Haber aus Wien - in die Schweiz auf. Er wurde dafür aus dem Dienst entlassen.
Arbeitsimpulse
- Welchen Problemen waren Flüchtlinge wie Sophie Haber, Jehudith Hübner und Ilse Aschner bei ihrer erzwungenen Auswanderung und im Zufluchtsland ausgesetzt? Erstellt eine Liste und tauscht sie mit den anderen aus. (Kleingruppen)
- Paul Grüninger zeigte Zivilcourage, indem er anderen in einer Notsituation half. Was bedeutet Zivilcourage für dich? Schreibe zehn Wörter auf, die dir zu diesem Begriff einfallen. Tauscht die Ergebnisse untereinander aus.
Verwende dazu auch: "Tun wir was!" (im Lernheft "Ein Mensch ist ein Mensch") - link
Weitere Informationen zu Paul Grüninger: - link
- Hast du selbst schon einmal Zivilcourage erlebt? Schreib das Ereignis auf. Wenn du möchtest, lies das Ergebnis deinem Sitznachbar/deiner Sitznachbarin und/oder der Klasse vor.
"Fliehen vor dem Holocaust" - eine Lern-App für alle mobilen Endgeräte auf der Grundlage von Video-Interviews mit ZeitzeugInnen - link
"Jugendlichen Flüchtlingen wird bei uns in die Schuhe geschoben, sie seien kriminell und fressen nur die Sozialtöpfe leer. Dabei kann gar niemand abschätzen, wie wenig die wirklich bekommen. Auch wird ihnen vorgeworfen, sie wollten ihre Familien nachholen. Selbst wenn das so wäre, wäre das auch in Ordnung. Für mich ist es ganz fürchterlich, wie unsere Behörden mit Jugendlichen umgehen. Ich halte es kaum aus, wenn etwa 15 Polizisten mitten in der Nacht anrücken, um einen 18-jährigen Georgier zu deportieren, der um sein Leben fürchtet, wenn er zurück muss, und der schon Jahre lang da war, Deutsch gelernt hat und alles.Schön wäre, Flüchtlinge würden ganz einfach wie andere Menschen behandelt. Ich hoffe auf die Jungen, die Schülerinnen und Schüler, die lernen, wie sie mit diesen vielfältigen Flüchtlingen gut zusammenleben.So wie wir Zuwanderer-Kinder ausgrenzen und erniedrigen, ziehen wir da heute ganz verbitterte Erwachsene groß, vor denen wir uns vielleicht noch einmal fürchten werden."
Ute Bock wurde bekannt durch ihren Einsatz für jugendliche Asylwerber und Flüchtlinge. Sie unterstützt sie durch ihren in Wien beheimateten Verein "Flüchtlingsprojekt Ute Bock" mit Wohnraum, Kleidung, Kursen und der Vermittlung von juristischer und medizinischer Hilfe. Ute Bock wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Mehr über sie und ihre Projekte auf www.fraubock.at
(Text: Tafel-Rückseite der Ausstellung "darüber sprechen". - link)
Arbeitsimpulse
- Überlegt und diskutiert mit dem/der SitznachbarIn, ob es in einer Notsituation besser ist, als Familie zusammenzubleiben, oder ob die Trennung notwendig ist, um einen Teil der Familie zu retten? Wie würdet ihr euch entscheiden? (PartnerInnenarbeit und Diskussion)
Internetrecherche/Transfer:
- In Österreich werden immer wieder Flüchtlingsfamilien abgeschoben, deren Asylantrag nach Jahren abgelehnt wurde. Informiert euch im Internet über konkrete Fälle (ihr könnt sie unter den Stichworten: „Abschiebungen – minderjährige Flüchtlinge“ googeln).
Pro-Contra-Debatte:
- Sollen minderjährige Flüchtlinge abgeschoben werden?
Projektarbeit zu Flucht/Emigration heute:
a] Suche dir einen Partner / eine Partnerin.
b] Befragt in der Klasse, im Verwandten- und Bekanntenkreis bzw. in eurem Wohnort eine Person über ihre Erfahrungen als Flüchtling oder EmigrantIn.
c] Überlegt euch in der Vorbereitungsphase während des Unterrichts, was ihr gerne wissen möchtet und stellt einen Fragenkatalog zusammen.
d] Bereitet eine kurze Präsentation der befragten Person und ihrer Erfahrungen vor und erzählt auch, wie es euch bei der Befragung gegangen ist bzw. was euch am meisten beeindruckt, interessiert, überrascht, nachdenklich gemacht hat.
Alle Arbeitsimpulse sind folgenden Unterrichtsmaterialien von ERINNERN:AT entnommen, die zahlreiche weitere und vertiefende Anregungen enthalten:
- "Flucht und Vertreibung" von Claudia Rauchegger-Fischer, basierend auf Interviews aus "Neue Heimat Israel") - link
- »... das war der letzte Tag, die letzte Minute, wo ich meine Eltern gesehen habe.« (Lernmodul "Flucht und Vertreibung" von Irmgard Bibermann und Horst Schreiber zur DVD "Das Vermächtnis")
- NMS/AHS-Unterstufe - download
- 9.-12./13. Schulstufe (Oberstufe) - download
- DVD "Das Vermächtnis" - link
- Lernheft "Ein Mensch ist ein Mensch" - Rassismus, Antisemitismus und sonst noch was... - link
- Arbeitsblätter von Martin Krist zu "Ausschluss und Vertreibung jüdischer SchülerInnen in Wien": - download
Flüchtlingskinder und -jugendliche an österreichischen Schulen, Rundschreiben Nr. 21/2015 des BMBF - link
Die Beilage zum Rundschreiben beinhaltet diverse rechtliche Informationen und organisatorische Maßnahmen sowie Unterstützungsangebote zum aktuellen Thema. →Zur Beilage
Flüchtlings- und Migranten-Krise in Europa
Rechtlicher Hintergrund, Probleme und Herausforderungen
Flucht heute und der Holocaust - gibt es hier einen Zusammenhang?
Die Vorsitzenden der Arbeitsgruppen der IHRA reagierten am 9. September 2015 auf die aktuelle Flüchtlingssituation:
"Die aktuelle Flüchtlingssituation unterscheidet sich deutlich von der Verfolgung der Juden und anderer Opfern vor, während und nach dem Holocaust; dennoch gibt es Parallelen zwischen der Behandlung von Flüchtlingen damals und heute - vor allem in Bezug auf die beschämende Schließung der Grenzen, den Anstieg der Fremdenfeindlichkeit und die Verwendung von menschenverachtender Sprache." - download
Zentrum polis: Das Heft. Nr. 10/2018 behandelt die Themen Asyl und Flucht. Es leistet einen Beitrag zur sachlichen Auseinandersetzung und bietet kompakte Information für eine Bearbeitung des Themas im Unterricht.
polis aktuell 10/2018: Flucht und Asyl
Abweisen oder retten – Schweizer Flüchtlingspolitik im Zweiten Weltkrieg (SRF-my school) - link
Flüchtlinge schützen. UNHCR-Filme für Schule und Weiterbildung (2016) - link
Seeking Protection is a blog that explores how our knowledge of the refugee situation before, during and after the Holocaust can be relevant for understanding the current refugee situation. This blog aims to serve as a resource centre for educators and as a platform for guest bloggers to reflect on the topic of refugees. The International Holocaust Remembrance Alliance unites governments and experts to shape and advance Holocaust education, remembrance and research world-wide, to speak out on Holocaust related issues including antisemitism, and to uphold the commitments of the 2000 Stockholm Declaration.
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