Webinar-Bericht: Bildungsarbeit zu Auschwitz und Antisemitismusprävention durch Bildung

Zum Internationalen Holocaust-Gedenktag luden _erinnern.at_ und das Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien (VWI) am 27.01.2021 zu einem Webinar. In mehreren Impulsvorträgen stellte die Online-Veranstaltung verschiedene Anknüpfungspunkte und Wege vor, das Thema Auschwitz in der Bildungsarbeit zu behandeln und schließlich auch Antisemitismusprävention durch Bildung zu realisieren.

Am 27. Januar 1945 wurde das Arbeits- und Vernichtungslager Auschwitz befreit. Zum Internationalen Holocaust-Gedenktag veranstalteten _erinnern.at_ und das Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien (VWI) ein Webinar über die Bildungsarbeit zu Auschwitz und Antisemitismusprävention durch Bildung. Einleitende Worte zum Webinar und dem gemeinsamen Gedenken kamen von Bildungsminister Heinz Faßmann per Videobotschaft, in der er den TeilnehmerInnen und OrganisatorInnen des Webinars für ihr Engagement und ihren Beitrag zu einer lebendigen Erinnerungskultur dankte.

Im Folgenden werden die einzelnen Impulsbeiträge des Webinars kurz vorstellt, um sowohl den TeilnehmerInnen nochmals einen kompakten Überblick über die vorgestellten Bildungsmaterialien und -angebote zu geben, als auch jene zu informieren, die das Webinar verpasst haben sollten. Auch die Präsentationen der ReferentInnen werden hier zur Ansicht bereitgestellt. [1]

Drei Ansätze für die Bildungsarbeit zum Thema Auschwitz

 
Forschendes Lernen: Das internationale Projekt „Convoi 77“

 Mit dem Anliegen, junge EuropäerInnen selbst zur historischen Recherche anzuregen und ihnen so die Geschichte des Holocaust näher zu bringen, hat der Verein „Convoi 77“ ein umfassendes Bildungs- und Erinnerungsprojekt ins Leben gerufen. Im Sinne des „forschenden Lernen“ können SchülerInnen Biographien von nach Auschwitz deportierten ÖsterreicherInnen recherchieren.

Schulen aus ganz Europa nehmen am Projekt teil und forschen zu Opferbiographien des sogenannten „Convoi 77“, dem 77. Deportationszug und letzten Transports von Frankreich nach Auschwitz. Darunter sind 25 in Wien geborene Jüdinnen und Juden, zu denen österreichische SchülerInnen die Recherche zum Convoi 77 aufgreifen können. Benjamin Wucher und Moritz Bender vom gleichnamigen französischen Verein „Convoi77“ stellten das Schulprojekt vor, das sich an interessierte Schulen in Österreich wendet. Der Verein unterstützt die beteiligten Schulen und ihre Lehrpersonen während des gesamten Prozesses, sowohl mit den benötigten Archivdokumenten, als auch durch den Austausch mit erfahrenen PädagogInnen und in methodologischer Hinsicht.

 

Individuelles Lernen mit ZeitzeugInnen-Interviews: Die App „Fliehen vor dem Holocaust“

Die App „Fliehen vor dem Holocaust. Meine Begegnung mit Geflüchteten“ erschließt Jugendlichen über das Medium Film einen Zugang zu historischen Erfahrungen Flucht und Vertreibung. Anlässlich des Internationalen Holocaust-Gedenktages stellte _erinnern.at_ die Fluchtgeschichte des Auschwitz-Überlebenden Paul Schaffer vor – anhand jener Quellen, durch die auch SchülerInnen dem 2020 verstorbenen Zeitzeugen Paul Schaffer mit Hilfe der App „Fliehen vor dem Holocaust“ begegnen können.

Ausgangspunkt der kostenfreien App sind ausgesuchte ZeitzeugInnen-Interviews. Nach einer kurzen Einführung beim Start der App wählen die Jugendlichen ein solches Interview aus und können anschließend einzelne Aspekte, die sie besonders interessieren, vertiefen. Neben der Vermittlung historischer Fakten sollen die hierbei gestellten Lernaufträge zu weiteren historischen Bildern und Dokumenten die Reflexionsfähigkeit und das quellenkritische Denken der SchülerInnen fördern. Die App kann sowohl im Unterricht als auch in der Jugendarbeit, individuell oder in der Gruppe genutzt werden. Für Lehrpersonen steht ein informatives Handbuch bereit.

 

Lernen in und mit Archiven: Dokumente zu Täterbiografien im VWI

Simon Wiesenthal widmete sein Leben nach 1945 der Suche nach NS-VerbrecherInnen. Im Archiv des Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien (VWI) bieten die so entstanden und gesammelten Dokumente ihre eigenen Zugänge und Perspektiven zum Thema Täterschaft.  René Bienert, der Leiter des Archives im VWI skizzierte in seinem Impulsvortrag einige solcher Täterbiografien, die durch das VWI-Archiv zugänglich und weiter erforschbar sind.

AkteurInnen aus der Bildungsarbeit können das VWI-Archiv nach Dokumenten anfragen und dabei nicht nur nach konkreten TäterInnen recherchieren, sondern zum Beispiel auch zu Orten oder bestimmten Themen. Darüber hinaus steht das Archiv offen, um mit Gruppen zum Beispiel eine Führung oder einen Recherchebesuch zu konkreten Themen zu vereinbaren, wodurch sich Jugendliche durch die direkte Arbeit mit historischen Dokumenten intensiv mit erinnerungskulturellen Themen und ihren Zeitzeugnissen auseinandersetzen können. Mittelfristig angedacht sind zudem Kooperationen, im Zuge derer Institutionen und AkteurInnen der Bildungsarbeit gemeinsam mit dem VWI-Archiv „Lern- und Dokumentenpakete“ entwickeln, um spezifische Themen durch die Kombination historischer Dokumente mit entsprechender didaktischer Handreichung in die pädagogische Arbeit integrieren zu können.

 

Prävention von Antisemitismus durch Bildung

Neue Sammlung von Lernmaterialien auf _erinnern.at_

Im letzten Teil des Webinars stellte _erinnern.at_ eine neue Sammlung von Lernmaterialien für die Prävention von Antisemitismus vor. Die Sammlung bietet auch konkrete Hilfestellungen, wie PädagogInnen auf aktuelle Formen und Formulierungen des Antisemitismus mittels antisemitismuskritischer Bildungsarbeit reagieren können. Damit nimmt sich die Sammlung auch besonders des Themas der sogenannten „sekundären Prävention“ an, die dann zu tragen kommt, wenn es im Unterricht oder im schulischen Umfeld bereits zu antisemitischen Artikulationen bzw. Vorfällen kam.

Für vier Themen- und Handlungsfelder stehen Lernmaterialien, schulspezifische Handreichungen, webbasierte Anwendungen und thematisch vertiefende Texte kommentiert zur Verfügung. Die Texte beschäftigten sich mit der Basis antisemitismuskritischer Bildungsarbeit, mit fachdidaktischen Konzepten und mit Erfahrungen im pädagogischen Feld. Peter Larndorfer, Berufsschullehrer und Koordinator des Netzwerkes Wien, berichtete schließlich über seine Erfahrungen aus der schulischen Praxis und welche Strategien und Zugänge bewährt haben, präventiv, aktiv und intervenierend zu bilden.

_erinnern.at_ dankt allen Beteiligten und TeilnehmerInnen des Webinars für ihre Beiträge zu einem fruchtbaren Austausch über die erinnerungskulturelle Bildungsarbeit und Antisemitismusprävention. Wir freuen uns über die rege TeilnehmerInnenzahl von knapp über 100 Personen via Zoom und über 400 ZuschauerInnen des Facebook-Livestreams. Ein besonderer Dank für die gelungene Gestaltung des Abends gilt dem Mitveranstalter des Webinars, unserem geschätzten Kooperationspartner, dem Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien (VWI).

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 [1] Die Texte und Präsentationen wurden für das Vortragsformat der Webinar-Reihe erstellt und unterliegen nicht den Auflagen einer Veröffentlichung.